Medizin

US-Mediziner testen Gentherapie mit Genschere

  • Freitag, 17. November 2017
/natali_mis, stock.adobe.com
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Oakland – US-Forscher testen weltweit erstmals eine Gentherapie, bei der winzige Genscheren direkt im Körper des Patienten zum Einsatz kommen sollen. Ziel sei, ein Gen an genau die passende Stelle im Genom eines an Morbus Hunter erkrankten Mannes zu setzen, berichtete das UCSF Benioff Children's Hospital am Mittwoch in Oakland. Von einem „fantastischen“ Therapieversuch spricht Toni Cathomen, Direktor des Instituts für Transfusionsmedizin und Gentherapie an der Uniklinik Freiburg. Er kennt die Vorarbeiten der US-Forscher, an der Studie selbst ist er nicht beteiligt.

Der Patient in den USA, Brian Madeux, leidet an der seltenen Stoffwechsel­erkrankung Morbus Hunter. Ein Gendefekt führt bei ihm dazu, dass ein Enzym zum Verarbeiten bestimmter Kohlenhydrate nicht hergestellt wird. Diese sammeln sich deshalb in den Zellen an und verursachen vielfache Schäden.

Am Montag erhielt der schwer kranke Patient im Rahmen einer Studie als erster die Infusion, durch die die Krankheit geheilt werden soll. Darin befinden sich unschädlich gemachte Viren, die Bauanleitungen für die Genschere und eine intakte Version des Gens in die Leber transportieren. Dort sollen die Zellen die Anleitungen umsetzen. Läuft alles nach Plan, wird das intakte Gen dann von den Scheren in das Erbgut einge­baut und das bislang fehlende Enzym gebildet.

Eine der Besonderheiten des Verfahrens liege darin, dass das Gen ganz gezielt in die Leberzellen gebracht werde, erläuterte Cathomen. „Die eingesetzten Virusvektoren sind so konstruiert, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Leber landen.“ Die Genscheren wiederum bauten das Gen neben einem Gen ein, das fast ausschließlich in der Leber abgelesen wird. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass das Korrektur­gen an irgendeiner Stelle des Erbguts eingebaut wird. Dadurch könnten Regulations­prozesse in der Zelle gestört werden, Krebserkrankungen könnten die Folge sein.

Das größte Risiko besteht laut Cathomen darin, dass die Virusvektoren – und damit die Genscheren – derzeit noch für längere Zeit in den Zellen bleiben. Dies berge die Gefahr, dass sie das Erbgut irgendwann doch an einer ungünstigen Stelle schneiden. Dieses Problem sei künftig vermutlich in den Griff zu bekommen. „Derzeit arbeiten Forscher an der nächsten Generation von Genfähren, die so gebaut sind, dass die Genscheren schnell aus den Zellen verschwinden, nachdem sie ihre Arbeit getan haben.“

„Wir sind sehr stolz, bei dieser wegweisenden Studie mitzumachen“, sagte der behan­delnde Arzt Paul Harmatz. Patient Madeux ist hoffnungsvoll: „Ich habe jede Sekunde des Tages Schmerzen. Ich dachte, ich würde nicht länger als bis Anfang 20 leben.“ Etwa nach drei Monaten werden Tests zeigen, ob die Therapie angeschlagen hat.

dpa

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