Uterine Tachysystolie unter Misoprostol
Bonn – Die erzwungene Geburtseinleitung durch ein Vaginal-Insert mit Misoprostol (Misodel®) kann unter Umständen exzessive Wehen auslösen, die nicht auf wehenhemmende Mittel ansprechen. Darauf macht der Hersteller jetzt in einem Rote-Hand-Brief aufmerksam.
Die Induktion von Wehen durch lokale Applikation von Prostaglandinen ist seit längerem eine gängige Praxis in der Geburtshilfe. Zu den zugelassenen Präparaten gehört das Vaginal-Insert Misodel®, das das Prostaglandin-E1-Analogon Misoprostol in einer konstanten Rate freigibt.
Zu den bekannten Nebenwirkungen gehört eine Überstimulation, die als uterine Tachysystolie bezeichnet wird und Gesundheit und Leben des Feten gefährden kann. In diesem Fall entfernen die Geburtshelfer das Vaginal-Insert und warten auf eine Normalisierung der Wehentätigkeit. Bei anhaltender Gefahr für das Kind wird ein Kaiserschnitt durchgeführt.
Schon in der Zulassungsstudie EXPEDITE war aufgefallen, dass die uterine Tachysystolie nach Entfernen von Misoprostol Misodel® nicht sofort abklingt. Nach einer Publikation in BJOG (2017; 124: 796-803) vergingen im Durchschnitt 1 Stunde und 34,5 Minuten gegenüber nur 8,5 Minuten nach Entfernen eines Vaginal-Inserts von Dinoproston.
Wie der Pharmakovigilanz-Ausschuss (PRAC) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) kürzlich mitteilte, hielten die exzessiven Wehen bei fünf Patientinnen (0,7 Prozent) auch unter einer Tokolyse an. Der PRAC vertrat die Auffassung, dass dies ein neuer Aspekt einer bekannten Nebenwirkung ist. Er empfahl eine Änderung der Fachinformation, auf die der Hersteller jetzt in einem Rote-Hand-Brief aufmerksam macht.
Der Hersteller gibt gleichzeitig Hinweise zum adäquaten Umgang mit dem Risiko. Er rät das Vaginal-Insert grundsätzlich bei Einsetzen aktiver Wehentätigkeit zu entfernen. Gemeint sind rhythmische, feste Kontraktionen, die in der Lage sind, die Geburt einzuleiten. Das Vaginal-Insert soll spätestens bei einer Zervixdilatation von 4 cm entfernt werden.
Insbesondere muss das Vaginal-Insert entfernt werden, wenn die Uteruskontraktionen zu lange anhalten oder exzessiv sind. Eine solche Tachysystolie liegt vor, wenn es innerhalb von zehn Minuten zu mehr als fünf Kontraktionen kommt (gemittelt über einen Zeitraum von 30 Minuten). Auch lang anhaltende Kontraktionen (einzelne Kontraktionen, die zwei Minuten oder länger andauern) und hypertone Kontraktionen (zu häufige Kontraktionen und ein hoher uteriner Ruhetonus) sollten Anlass zur sofortigen Entfernung des Vaginal-Inserts sein. Dies gilt auch bei Gefahr für Mutter und/oder Kind.
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