Medizin

Variante in Antikörper-Gen begünstigt rheumatisches Fieber

  • Mittwoch, 31. Mai 2017

Melbourne und Oxford – Die Gefahr, nach einer banalen Infektion mit A-Streptokokken an einem rheumatischen Fieber zu erkranken, wird von einer Genvariante für die lange Kette des Immunglobulins beeinflusst. Dies kam in einer genomweiten Assoziations­studie in Nature Communications (2017; doi: 10.1038/ncomms14946) heraus. Sie wurde in Ozeanien durchgeführt, wo das rheumatische Fieber im Gegensatz zu den hochent­wickelten Ländern noch sehr häufig auftritt.

Das rheumatische Fieber ist Folge einer versehentlichen Attacke des Immunsystems, das Bestandteile des Endokards (und einer Reihe anderer Gewebe, darunter der Synovia der Gelenke) mit Antigenen auf der Oberfläche von bestimmten beta-hämolysierenden Streptokokken verwechselt. Wenige Wochen nach der Infektion, in der Regel einer milden Rachenentzündung, kommt es zunächst zu wandernden „rheumatischen“ Gelenk­beschwerden und dann zu einer Dysfunktion der Herzklappen, die zu einer Herzinsuffizienz und zum Tode führen kann. Die Erkrankung ist in Deutschland sehr selten geworden. Die Krankenhausstatistiken in Deutschland verzeichneten im Jahr 2014 nur 522 Fälle. 

In weniger entwickelten Regionen der Erde ist das rheumatische Fieber sehr viel häufiger. Weltweit erkranken jedes Jahr schätzungsweise 16 Millionen Menschen am rheumatischen Fieber und 300.000 sterben daran. Besonders häufig ist das rheuma­tische Fieber in Ozeanien. Auf den Fidschi-Inseln gehört die Erkrankung zu den füh­renden Todesursachen für junge Männer. (In entwickelten Ländern erkranken Frauen häufiger als Männer).

Die Erkrankung ist zwar Folge einer bakteriellen Infektion, genetische Faktoren spielen jedoch eine große Rolle. Bereits in den 1930er-Jahren wurde erkannt, dass eineiige Zwillinge sechsmal häufiger erkranken als zweieiige Zwillinge. Eine internationale Forschergruppe ist dem familiären Risiko in einer genomweiten Assoziationsstudie auf den Grund gegangen, die sinnvollerweise in Ozeanien durchgeführt wurde.

Ein Team um Andrew Steer vom Murdoch Children’s Research Institute in Melbourne und Adrian Hill von der Universität Oxford ließ das Erbgut von 3.412 Einwohnern von mehreren Ländern Ozeaniens an 239.990 Stellen analysieren. Bei 64 Personen wurde das gesamte Genom sequenziert. Der Vergleich zwischen Patienten, die am rheumati­schen Fieber erkrankten, und gesunden Kontrollen ergab ein starkes Signal auf dem Chromosom 14 dort, wo sich das Gen IGHV4-61 befindet.

Das Gen enthält die Bau­anleitung für die sogenannte schwere Kette der Antikörper-Proteine (jeder Antikörper besteht aus zwei identischen schweren Ketten „heavy chains“ und zwei identischen leichten Ketten „light chains“). Die Genvariante erhöhte das Risiko auf ein rheuma­tisches Fieber um 43 Prozent (Odds Ratio 1,43; 95-Prozent-Konfidenzintervall 1,27–1,68). Das erscheint wenig, da aber 24,9 Prozent der Studienteilnehmer das Risiko-Allel trugen, könnte es einen beträchtlichen Teil des familiären Risikos erklären. 

Bei Europäern und Asiaten ist die Prävalenz deutlich niedriger (etwa 15 Prozent), in Afrika südlich der Sahara soll sie laut Hill sogar noch höher sein als in Ozeanien. Das rheumatische Fieber werde dort häufig nicht als Erkrankung und als Todesursache für junge Menschen erkannt, vermutet Hill aufgrund der Ergebnisse.

rme

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