Medizin

Vasektomie: Leicht erhöhtes Prostatakrebsrisiko

  • Mittwoch, 19. Juli 2017

Rochester – Die Frage, ob die Durchtrennung der Samenleiter zum Zweck der Sterilisierung im Alter das Risiko auf ein Prostatakarzinom erhöht, beschäftigt Epidemiologen seit den 1980er Jahren. Eine Meta-Analyse in JAMA Internal Medicine (2017; doi: 10.1001/jamainternmed.2017.2791) berücksichtigt die Ergebnisse jüngster Studien.

Die Durchtrennung der beiden Samenleiter versperrt den Spermien den Weg in die Harnröhre, womit Männer zeugungsunfähig sind. Der Eingriff ist einfacher und kostengünstiger als die Tubenligatur bei der Frau. Dennoch wird die Sterilisierung des Mannes seltener vorgenommen. In den USA verlassen sich nur 8 Prozent der Paare auf diese Methode, während 25 Prozent der Paare die Tubenligatur bevorzugen. 

Ein Grund ist die Angst der Männer, im Alter am Prostatakarzinom zu erkranken. Diese Furcht gründet sich auf epidemiologische Studien, die zuerst in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren durchgeführt wurden. Die Frage war Gegenstand mehrerer Meta-Analysen, wobei die meisten Autoren die Ansicht vertraten, dass die Vasektomie kein Risiko darstellt.

In den letzten Jahren sind fünf neuere Untersuchungen hinzugekommen, von denen zwei einen Zusammenhang mit einem späteren Krebsrisiko sehen (J Clin Oncol. 2014; 32: 3033–3038, J Urol. 2016; 195: e1157-e1158), drei andere dagegen nicht (BMJ 2016; 355: i5546, J Clin Oncol 2016 34: 3880-3885, J Clin Oncol. 2017; 35: 1297-1303). 

Damit war die Zeit für eine weitere Meta-Analyse gekommen. Einem Team um Jeffrey Karnes von der Mayo Clinic in Rochester standen hierfür 16 Kohortenstudien (mit 2,5 Mio. Teilnehmern), 33 Fall-Kontroll-Studien (44.536 Teilnehmer) und 4 Querschnittstudien (12,1 Mio. Teilnehmer) zur Verfügung. 

Zunächst haben die Forscher die Ergebnisse der Kohortenstudien ausgewertet. Vasektomierte Männer hatten hier ein leicht erhöhtes relatives Risiko (RR) von 1,08, das mit einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 1,02 bis 1,14 signifikant war. Das Risiko war auch vorhanden, wenn die Analyse auf sieben Studien mit einem niedrigen Risiko von Verzerrungen (Bias) beschränkt wurde (RR: 1,05; 1,02-1,09). Auch bei einer Beschränkung auf Studien mit einer Diagnose des Prostatakarzinoms durch ein PSA-Screening (1,06; 1,02-1,09) zeigte ein leicht erhöhtes Risiko an. 

In den Fall-Kontroll-Studien war das Risiko höher, aber nicht mehr signifikant (RR 1,31; 1,12-1,53). Die meisten Studien waren jedoch von geringerer Qualität (hohes Bias-Risiko) und bei einer Beschränkung auf die wenigen guten Studien wurde ein Ausmaß wie in den Kohortenstudien erreicht, allerdings ohne statistische Signifikanz (RR 1,06; 0,88-1,29). In den Querschnittstudien wurde keine Assoziation gefunden.

Obwohl das Risiko mit zunehmender Qualität der Studien immer kleiner wird, kann Karnes nicht ausschließen, dass die Vasektomie die Entwicklung eines späteren Prostatakarzinoms begünstigt. Ein relatives Risiko von 5 Prozent bedeutet allerdings für den einzelnen Mann, dass sein absolutes Lebenszeitrisiko auf ein Prostatakarzinom nur um 0,6 Prozent (0,3-1,2 Prozent) ansteigt, was eine „Number needed to harm" von 156 ergibt. Auf so viele vasektomierte Männer käme ein zusätzliches Prostatakarzinom.

Das Risiko wird weiter dadurch relativiert, dass die Kohortenstudien keine signifikante Assoziation mit einem High-Risk-Karzinom (Hazard Ratio HR 1,03; 0,89-1,21) oder mit einem tödlichen Prostatakrebs (HR 1,02; 0,92-1,14) zeigen. Ein solches ist auch in den Fall-Kontroll-Studien (Odds Ratio OR 1,3; 0,85-1,9) erkennbar. Auch die Untersuchungen zur Dauer seit der Vasektomie oder dem Alter beim Eingriff liefern keine Hinweise auf ein erhöhtes Risiko, wobei hier nur wenige Studien zur Analyse herangezogen werden konnten. 

Unter dem Strich könnte es nach derzeitigem Kenntnisstand ein leicht erhöhtes Risiko geben, das laut Karnes jedoch mit den Vorteilen der Vasektomie in Beziehung gesetzt werden muss. Das Verfahren ist sehr sicher. Es erspart den Partnerinnen die Risiken einer hormonellen Kontrazeption und es könnte die Rate der ungewollten Schwangerschaften senken, deren Anteil nach einer Untersuchung aus den USA derzeit noch bei 45 Prozent liegt.

rme

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung