Medizin

Vaxzevria erhält Warnhinweise für Guillain-Barré-Syn­drom und Herzerkrankungen

  • Freitag, 16. Juli 2021
/picture alliance, Sven Hoppe
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Amsterdam/Langen – Der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) empfiehlt, einen Warnhinweis für das Guillain-Barré-Syndrom in die Produktinformation des COVID-19-Impfstoffs Vaxzevria (Astrazeneca) aufzunehmen. Dies geht aus dem aktuellen Sicherheitsbericht zu COVID-19-Impfstoffen des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) hervor.

Die US-Arzneimittelbehörde FDA hatte einen entsprechenden Hinweis bereits Anfang der Woche in die Produktinformation des COVID-19-Impfstoff von Johnson & Johnson aufgenommen. Sie verwies jedoch darauf, dass die Wahrscheinlichkeit, die Nervenerkrankung zu bekommen, insgesamt sehr gering sei.
Dem PEI-Bericht zufolge hat der PRAC nun beschlossen, einen solchen Hinweis auch für den Impfstoff von Astrazeneca herauszugeben.

„Es sind mehr Fälle eines Guillain-Barré-Syndroms (GBS) nach Vaxzevria-Impfung in Deutschland gemel­det worden, als aufgrund der Anzahl geimpfter Personen zufällig erwartet würde, was auf ein Risikosig­nal hinweist“, heißt es in dem Bericht.

Bis zum 30. Juni 2021 wurden dem PEI demnach 51 Fälle eines GBS sowie drei Fälle eines Miller-Fisher-Syndrom (MFS) – einer seltenen Variante des GBS – nach Impfung mit Vaxzevria (Astrazeneca) gemeldet. Die Erstsymptome traten im Mittel 14,6 Tage nach der Impfung auf. Bei den geimpften Personen handelt es sich um 30 Frauen und 24 Männer im Alter zwischen 32 und 93 Jahren.

Aufgrund der Meldungen aus Deutschland und anderen Ländern hat der PRAC beschlossen, einen ent­spre­chenden Warnhinweis in die Produktinformation aufzunehmen.

Kein Beweis für Kausalität, aber zeitlicher Zusammenhang ist auffällig

Zu dem Warnhinweis der US-Arzneimittelbehörde FDA zum Impfstoff von Johnson & Johnson hatte die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) in einer Stellungnahme angemerkt, dass erhobenen Zahlen „keine besorgniserregende Erhöhung“ der GBS-Rate darstellten und es derzeit auch keinen Beleg für einen kausalen Zusammenhang gebe.

Auch aus den für Europa gemeldeten Zahlen an GBS-Fällen nach Impfung mit Vaxzevria lasse sich „keine sichere Risikoerhöhung ableiten“ – insbesondere im Vergleich zur großen Menge bereits verimpfter Dosen, betonte DGN-Generalsekretär Peter Berlit auf Nachfrage des Deutschen Ärzteblattes.

Dennoch sei der Warnhinweis der EMA „die richtige Reaktion“, so der Neurologe – nicht unbedingt auf­grund der absoluten Zahlen, aber aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs zwischen der Impfung mit Vaxzevria und dem Auftreten der neurologischen Erkrankung.

Berlit betonte, dass bislang noch kein Pathomechanismus bekannt sei, der einem potenziellen Kausalzu­sammenhang zwischen Vaxzevria-Impfung und GBS zugrunde liegen könnte.

Das PRAC betont in seiner Empfehlung, dass sich aus den bisher verfügbaren Daten „eine mögliche Asso­ziation mit dem Vakzin weder bestätigen noch ausschließen lässt“. Angesichts der Schwere der seltenen Erkrankung habe man sich aber entschlossen, einen Warnhinweis zu empfehlen – sowohl für die Fach- als auch die Gebrauchsinformation.

Sehr seltene Fälle von Herzerkrankungen nach mRNA-Impfung

„Sehr selten“ wurden dem PEI zufolge darüber hinaus Fälle der Herzerkrankungen Myokarditis und Perikarditis nach Impfung mit Comirnaty (Biontech) und Spikevax (Moderna) beobachtet. Die Gesamtmelderate in allen Altersgruppen liege bei 0,32 beziehungsweise 0,48 Meldungen auf 100 000 Impfdosen.

Der PRAC habe beschlossen, Myokarditis und Perikarditis in die Fach- und Gebrauchsinformationen beider mRNA-Impfstoffe aufzunehmen. „Nach den bislang vorliegenden Daten sind offenbar vor allem junge Männer nach Gabe der zweiten Dosis betroffen, typischerweise innerhalb von 14 Tagen.“ Das Nutzen-Risiko-Verhältnis der Impfstoffe sei aber „weiterhin positiv“.

Das neuartige Thrombosen-mit-Thrombozytopenie-Syndrom (TTS) wird dem Bericht zufolge „sehr selten als schwerwiegende Nebenwirkung“ der beiden Vektorimpfstoffe von Astrazeneca (Vaxzevria) und Johnson & Johnson beobachtet.

Nach den Meldungen an das PEI seien aktuell „Frauen und Männer aller Altersgruppen“ von TTS betroff­en. Es handele sich um eine seltene, gleichwohl schwerwiegende Nebenwirkung.

Sie müsse allerdings mit dem Nutzen der Impfung in Relation gesehen werden, betont das PEI. Laut EMA „nimmt der individuelle Nutzen der Impfung mit steigendem Alter und steigenden Infektionszahlen zu“.

Die Melderate an Nebenwirkungen oder Impfkomplikationen im zeitlichen Zusammenhang mit der Im­pfung betrug für alle Impfstoffe zusammen 1,4 pro 1.000 Impfdosen, für Meldungen über schwerwiegen­de Reaktionen 0,1 pro 1.000 Impfdosen.

Der Bericht umfasst den Zeitraum von Beginn der Impfkampagne Ende Dezember 2020 bis zum 30. Juni.

nec/dpa

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