Verzicht auf Maskenpflicht erhöhte Zahl der Coronaerkrankungen unter Schülern und Lehrern

Boston – Nachdem die Landesschulbehörde im Februar 2022 die Maskenpflicht aufhob, stiegen an den Schulbezirken einer US-Großstadt die Infektionszahlen – außer in 2 Bezirken, die weiter auf das Tragen von FFP2-Masken bestanden hatten. Eine Differenz-von-Differenzen-Analyse im New England Journal of Medicine (2022; DOI: 10.1056/NEJMoa2211029) hat die Auswirkungen genauer untersucht.
Differenz-von-Differenzen (DvD)-Analysen sind in den Wirtschaftswissenschaften ein gebräuchliches Instrument, um die Auswirkungen von politischen Reformen zu untersuchen. Dies ist immer dann möglich, wenn benachbarte Regionen unterschiedliche Wege gehen, etwa in der Agrarpolitik oder beim Mindestlohn.
Die Forscher vergleichen die langfristigen Auswirkungen, etwa auf Ernten oder Beschäftigtenzahl, in den Regionen, die die Reform umgesetzt haben, mit denen, die an den alten Regeln festhielten.
In den USA sind DvD-Analysen aufgrund der ausgeprägten föderativen Strukturen häufig möglich, da es den lokalen Behörden oft freigestellt wird, eine Bundes- oder Landesempfehlung umzusetzen oder nicht. In Massachusetts waren die Coronazahlen 2022 in den ersten beiden Monaten stark zurückgegangen. Dies hat zu Forderungen geführt, die unbeliebte Maskenpflicht an den Schulen endlich abzuschaffen.
Die Schulbehörde stellte es am 28. Februar den einzelnen Schuldistrikten frei, zu entscheiden, ob Lehrer und Schüler im Unterricht einen Mund-Nase-Schutz tragen müssen. In den folgenden 3 Wochen votierten im Großraum Boston 72 Distrikte für die Aufhebung der Maskenpflicht.
Nur in 2 Distrikten blieb sie bestehen. Es handelte sich um den Innenstadtbereich und das benachbarte Chelsea. Dort gibt es viele ältere schlecht zu lüftende Schulgebäude und größere Klassen, und die Schüler kommen häufiger aus benachteiligten Familien, in denen die Infektionszahlen höher sind. Die Distrikte hatten demnach gute Gründe für eine vorsichtigere Haltung.
Doch auch in Boston und Chelsea waren zuvor die Infektionszahlen gesunken. Die Entwicklung verlief einigermaßen parallel wie in den anderen Distrikten. Dies änderte sich nach der Freigabe. In den Distrikten, in denen die Maskenpflicht fiel, kam es innerhalb weniger Wochen zu einem Anstieg der COVID-19-Zahlen, in Boston und Chelsea blieben die Zahlen zunächst niedrig.
Später kam es auch hier zu einem Anstieg. Im Nachhinein hat sich herausgestellt, dass die Freigabe gerade auf der Talsohle der Infektionszahlen erfolgt war. Aus gesundheitspolitischer Sicht war dies sicherlich ungünstig.
Auf der anderen Seite könnte es die Auswirkungen der Entscheidungen akzentuiert haben. Tori Cowger von der Harvard T.H. Chan School of Public Health in Boston und Mitarbeiter kommen in ihrer DvD-Analyse zu dem Ergebnis, dass die Aufhebung der Maskenpflicht an den Schulen in den ersten 15 Wochen die COVID-19-Inzidenz bei Lehrern und Schülern um 44,9 Fälle pro 1.000 Personen erhöht hat, wobei der Anstieg bei den Lehrern doppelt so hoch ausfiel wie bei den Schülern (81,7 versus 39,9/1.000).
In konkreten Zahlen bedeutet dies, dass die Freigabe zu 2.882 zusätzlichen Infektionen unter 46.530 Lehrern und zu 9.168 zusätzlichen Erkrankungen unter 294.084 Schülern geführt hat. Da Infizierte mehrere Tage vom Unterricht fern bleiben müssen, könnte der Verzicht auf die Masken dazu geführt haben, dass in 15 Wochen Schüler mindestens 17.500 Schultage und Lehrer mindestens 6.500 Schultage verpasst haben.
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