Politik

Vor der Bundestagswahl: TV-Runde debattiert über Gesundheit, Pflege und Klima

  • Freitag, 21. Februar 2025
Sahra Wagenknecht (l-r), Parteivorsitzende des BSW, Jan van Aken, Bundesvorsitzender der Partei Die Linke, Matthias Miersch, Generalsekretär der SPD, Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen), Außenministerin, Christian Lindner, Bundesvorsitzender der FDP, Carsten Linnemann, Generalsekretär der CDU, Alexander Dobrindt, CSU-Landesgruppenchef, und Alice Weidel, Bundesvorsitzende und Kanzlerkandidatin der AfD, stehen vor der Fernsehsendung «Schlussrunde» zusammen im Studio. /picture alliance, Reuters Pool, Fabrizio Bensch
Sahra Wagenknecht (l-r), Parteivorsitzende des BSW, Jan van Aken, Bundesvorsitzender der Partei Die Linke, Matthias Miersch, Generalsekretär der SPD, Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen), Außenministerin, Christian Lindner, Bundesvorsitzender der FDP, Carsten Linnemann, Generalsekretär der CDU, Alexander Dobrindt, CSU-Landesgruppenchef, und Alice Weidel, Bundesvorsitzende und Kanzlerkandidatin der AfD, stehen vor der Fernsehsendung «Schlussrunde» zusammen im Studio. /picture alliance, Reuters Pool, Fabrizio Bensch

Berlin – Über bisherige Randthemen im Bundestagswahlkampf wie Gesundheit, Pflege und Klimawandel haben acht Parteienvertreter gestern in einer TV-Runde ausführlicher diskutiert. Sie sollten unter anderem zu Fragen nach der Abschaffung der privaten Krankenversicherung, zur Finanzierbarkeit der Pflege im Heim und zum Klimaschutz in Deutschland Stellung beziehen.

Die Sendung „Wahl 2025 Schlussrunde“ von ARD und ZDF wurde dabei teils zur Streitrunde. Häufig fielen sich die Politikerinnen und Politiker gegenseitig ins Wort.

In dem Format saßen so viele Teilnehmer zusammen wie in keiner anderen TV-Wahlkampfsendung zuvor: die Generalsekretäre von SPD und CDU, Matthias Miersch und Carsten Linnemann, CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), FDP-Chef Christian Lindner, AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel, Linke-Chef Jan van Aken und BSW-Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht.

Nicht jeder kam zu jedem Thema zu Wort. Von den Moderatoren Markus Preiß und Diana Zimmermann, Leiter der Hauptstadtstudios von ARD und ZDF, war manchmal ein „Basta“ nötig: „Jetzt ist der Punkt erreicht, wo diese Runde beendet ist“, fuhr Preiß dazwischen, als er das Thema wechseln wollte und seine Gäste immer weiter redeten.

Unterschiedliche Positionen zu Krankenversicherung

Zur Frage der Moderatoren, ob die private Krankenversicherung in Deutschland abgeschafft und alle Menschen in eine gemeinsame Krankenversicherung einzahlen sollten, zeigte sich ein geteiltes Bild: Die Vertreter von BSW, Linke, SPD und Grünen votierten mit „Ja“, die übrigen Gäste mit „Nein“.

Lindner sprach sich vehement gegen eine Zusammenlegung von privater und gesetzlicher Krankenversicherung aus. „Eine Einheitskasse, Staatsmedizin führt in die falsche Richtung“, warnte er. Erst schaffe man die Wahlfreiheit zwischen den Krankenkassen ab, als Nächstes schaffe man die Wahlfreiheit ab, zu welchem Arzt man gehe, sagte Lindner. „Wahlfreiheit ist ein Teil der Qualität unseres Gesundheitssystems.“

Wagenknecht konterte: „Wenn Sie sagen, es gibt eine Wahlfreiheit, das ist doch ein Hohn.“ Die meisten Menschen könnten sich nicht aussuchen, in welcher Kasse sie sind. Es müsse ein gemeinsames System für alle geben und eine wirklich solidarische Finanzierung statt immer stärkerer Eigenverantwortung, forderte sie. Das sah Linke-Chef van Aken ähnlich.

SPD-Generalsekretär Miersch plädierte für eine solidarische Bürgerversicherung, was aber kein völliges Aus für private Versicherungsangebote bedeute. Er prangerte eine „totale Ungleichbehandlung“ von privat und gesetzlich Versicherten hinsichtlich der Terminvergabe bei Fachärzten an. Dies müsse sich ändern.

Die SPD wolle mit den Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen Vereinbarungen dahingehend treffen, dass eine Gleichbehandlung erfolge und gesetzlich Krankenversicherte andernfalls eine Beitragsrückerstattung erhalten oder Abzüge machen könnten.

Die Frage von Preiß, welche Anreize gesetzt werden sollen, damit Ärzte auf Termingarantien eingehen, beantwortete Miersch nicht direkt. „Wir brauchen viel, viel mehr die paritätische Finanzierung“, sagte Miersch. Es sei notwendig, Privatversicherer mehr an den allgemeinen Kosten zu beteiligen.

Wagenknecht sprach von einer Fehlentwicklung, immer mehr Krankenhäuser würden geschlossen und die Menschen hätten weitere Wege. Sie kritisierte eine gestiegene Gewinnorientierung im System, mit teuren OPs und Behandlungen, sowie die Nichtbeteiligung Privatversicherter an vielen Gemeinwohlausgaben. Baerbock stimmte Wagenknecht in dem letzten Punkt zu, konnte ihre Argumente aus Zeitgründen aber nicht weiter ausführen.

AfD-Kanzlerkandidatin Weidel begründete ihr Votum zur Frage nicht, sondern forderte, dass eine „Einwanderung in die Sozialsysteme“ aus Kostengründen beendet werden müsse. Moderatorin Zimmermann wandte zwar ein, dass auch ausländische Pflegekräfte einwanderten, ohne die das Gesundheitssystem schlechter aufgestellt wäre. Als „irreführend“ wurde Weidels Äußerung dann einem später online veröffentlichten Faktencheck des ZDF eingestuft.

Darin heißt es unter anderem: „Ursachen für die Finanzprobleme der Kassen sind in viel größerem Maß der demografische Wandel, Kostensteigerung für Medikamente und Löhne und nicht zuletzt politische Entscheidungen: So verpflichtete der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn die Krankenkassen, ihre Reserven abzubauen. Letzteres benennt Weidel in ihrer Aussage auch korrekt. Verwiesen wird zudem auf eine Untersuchung von 2020, in der davon ausgegangen werde, dass die Krankenkassenbeiträge ohne Zuwanderung höher wären.

Differenzen bei Pflegekosten

Weidel löste vor allem beim ehemaligen Finanzminister Lindner Kopfschütteln aus, als sie sich für eine staatliche Unterstützung von Menschen, die Familienangehörige pflegen, in Höhe von 2.000 bis 3.000 Euro monatlich aussprach. Wo das Geld herkommen soll, sagte sie nicht. „Hier wird die ganze Zeit viel Geld verteilt“, kritisierte der FDP-Mann und appellierte an junge Menschen, für ihre spätere Pflege auch privat vorzusorgen.

Zur Problematik der hohen Eigenbeiträge für die Pflege im Heim warb Miersch erneut für den Vorschlag seiner Partei, den Eigenbeitrag für die Pflege bei 1.000 Euro zu deckeln. Dazu solle bei den Zuschüssen umgeschichtet werden. Dass am Ende doch Kosten etwa für die Unterkunft und Verpflegung auf einer gesonderten Rechnung zu den 1.000 Euro hinzukämen, wolle man vermeiden, so Miersch.

Dobrindt widersprach dem entschieden und kritisierte, die SPD versuche, den Menschen mit dem 1.000-Euro-Pflegedeckel „etwas vorzumachen“. Er schlug ein Konzept mit größerer Regionalität in der Pflege vor. „Quartierpflege“ sei ein dritter Weg zwischen häuslicher und stationärer Pflege, die staatlich mit organisiert werden müsse. CDU-Generalsekretär Linnemann sprach sich für weniger Bürokratie und mehr Effizienz, etwa durch KI-Einsatz aus, damit Pflegekräfte mehr Zeit für Patienten hätten.

Linke-Chef van Aken kritisierte, dass nicht alle Einkommen für die Finanzierung der Pflegeversicherung herangezogen würden. „Die ganz große Ungerechtigkeit, die wir heute haben, ist, dass hier nur ein ganz kleiner Teil der Einkommen in Deutschland einzahlt in das System.“ Es gelte, alle Einkommen heranzuziehen. Ein Wegfall der Beitragsbemessungsgrenze würde etwa dazu führen, dass viel mehr Geld im Topf sei.

Lindner nannte den Vorschlag des Linke-Chefs eine „drastische Mehrbelastung für die Menschen in unserem Land, die was getan haben für ihre Qualifikation, für die Menschen, die Arbeitsplätze schaffen sollen“. Der Vorschlag der Linken treibe Deutschland tiefer in die Wirtschaftskrise. Stattdessen schlug er vor: „Wir müssen den 20-Jährigen sagen, für die eigene Pflegebedürftigkeit werden sie eine einen eigenen Kapitalstock brauchen.“

Uneinigkeit auch beim Klimaschutz

In einer Schnellfragerunde dazu, ob sich Deutschland fünf Jahre mehr Zeit für das Ziel der Klimaneutralität geben solle und damit ebenso lange wie die EU (bis 2050 statt wie bisher bis 2045), stimmten nur BSW, FDP und AfD mit „Ja“.

Linke-Chef van Aken warnte vor Abstrichen beim Klimaschutz: „Das Klima nicht zu schützen, kostet uns viel mehr Geld.“ Es brauche dabei jedoch mehr soziale Abfederungen. So sollten Zuschüsse etwa zu Wärmepumpen gestaffelt werden. Geringverdiener sollten 100 Prozent der Zusatzkosten ersetzt bekommen, Vielverdiener aber gar keine Subventionen bekommen. „Dann kriegen Sie plötzlich eine ganz breite Zustimmung in der Bevölkerung.“

BSW-Chefin Wagenknecht bekannte sich auf Nachfrage zwar zur Klimaneutralität bis 2045 – wenn es bis dahin die nötigen Technologien gebe. „Nur ich halte nichts davon, dass Klimaschutz dadurch vorangetrieben wird, dass man den Menschen das Leben verteuert.“ Oft hätten sie gar keine Alternative. Es könne nicht jeder von seinem Wagen mit Verbrennermotor aufs E-Auto oder den öffentlichen Nahverkehr umsteigen.

Linnemann arbeitete sich einmal mehr am Heizungsgesetz der Ampelkoalition ab. „Das war doch ein Fiasko.“ Beim Klimaschutz brauche man Planungssicherheit, auch bei Förderprogrammen, und Technologieoffenheit. Weidel wiederum gab der CDU die Schuld an Klimaschutzgesetzen.

Auf einen stark überdurchschnittlichen CO2-Verbrauch von extrem Reichen im Vergleich zur restlichen Bevölkerung hob Linken-Politiker van Aken ab: Diese müssten stärker in die Verantwortung genommen werden, etwa über eine Vermögenssteuer. Linder kritisierte ein solches „Umverteilungsprogramm“, es koste Wachstum und Jobs.

Baerbock appellierte, man müsse die Chance nutzen, die Marke „Made in Germany“ mit Klimaneutralität zu verknüpfen, sei es beim Autobau oder in der Stahlproduktion.

Noch viele Wählerinnen und Wähler unentschieden

Die Parteien hoffen, mit Talkrunden wie diesen noch unentschlossene Wählerinnen und Wähler für sich zu gewinnen. Deren Zahl liegt dem ZDF-Politbarometer zufolge bei 27 Prozent. Die Erhebung brachte für die Union nichts Gutes – sie fiel um zwei Punkte auf 28 Prozent. Die AfD als zweitstärkste Kraft konnte um einen Punkt auf 21 Prozent zulegen. SPD und Grüne verharren bei 16 beziehungsweise 14 Prozent.

Die Linke käme mit 8,0 Prozent (+1) sicher in den Bundestag. FDP und BSW müssten um den Einzug ins Parlament bangen. In der Umfrage kommen beide auf je 4,5 Prozent, je einen halben Prozentpunkt mehr als in der Vorwoche.

Eine allerletzte Chance haben die Parteien noch, Wähler über das Fernsehen zu erreichen. Die Sender ProSieben und SAT.1 veranstalten am Samstagabend ein „Speed-Dating“, bei dem Bürger die Kanzlerkandidaten befragen können – mit Ausnahme von Friedrich Merz. Der CDU-Chef ließ sich aus Termingründen entschuldigen.

dpa/ggr

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