Politik

Vorstoß für gesetzliche Neuregelung der Suizidbeihilfe geplant

  • Mittwoch, 5. November 2025
/Robert Kneschke, stock.adobe.com
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Berlin – Seit das Bundesverfassungsgericht im Februar 2020 die damalige Regelung zum Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung für nichtig erklärte und Sterbehilfeorganisationen wieder in Deutschland tätig sein dürfen, wird sowohl innerärztlich als auch gesellschaftlich über eine mögliche neue gesetzliche Regelung der Suizidbeihilfe diskutiert. Mehrere parteiübergreifende Gesetzesinitiativen sind in den vergangenen Jahren im Bundestag gescheitert – nun ist ein neuer Anlauf in Sicht.

Momentan beschäftige sich eine interfraktionell besetzte parlamentarische Gruppe mit der Erarbeitung eines Antrags für ein neues Gesetz, sagte Lukas Benner, Mitglied der Bundestagsfraktion der Grünen, heute bei einer Diskussionsveranstaltung der Deutschen Krebsgesellschaft zum Thema „Selbstbestimmt sterben – aber wie?“.

Man könne zwar die jetzige Rechtslage hinnehmen, so der Jurist. „Ich persönlich finde das jedoch nicht richtig und präferiere eine klare Regelung.“ Wie deren Details aussehen könnte, verriet Benner nicht. Die Gruppe befinde sich noch in vertraulichen Gesprächen, plane aber einen erneuten Vorstoß. Kern der Regelung solle ein Schutzkonzept sein.

Die Ansicht, dass man sich in Deutschland bezüglich der Suizidhilfe in einem rechtlichen Schwebezustand befinde, teilt indes Tanja Henking, Professorin für Gesundheits-, Medizin- und Strafrecht an der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt, nicht. „Wir haben einen rechtlichen Rahmen“, betonte sie. „Die Beihilfe zum frei verantworteten Suizid ist straffrei, nicht jedoch die Beihilfe zu einem Suizid, der nicht frei verantwortbar sei.

Einer gesetzlichen Neuregelung steht Henking, die auch Mitglied der Zentralen Ethikkommission bei der Bundesärztekammer (ZEKO) ist, kritisch gegenüber. Aus ihrer Sicht werde jede neue Regelung eine Schwachstelle haben, sagte sie heute. Der Gesetzgeber sollte sich deshalb sehr genau überlegen, ob eine Änderung des Strafrechts angezeigt sei. Ihr Fazit: „Künftig solle es lieber keine Regelung geben als eine schlechte.“ In der Pflicht sieht die Juristin eher die Praxis: es brauche mehr Aufklärung und Prävention.

Ärztinnen und Ärzte begegneten häufig Menschen mit Sterbewünschen, so Ulrich Wedding, Chefarzt der Abteilung Palliativmedizin am Universitätsklinikum Jena und stellvertretender Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Palliativmedizin in der Deutschen Krebsgesellschaft.

Hinter den Todeswünschen von Betroffenen steckten sehr unterschiedliche Ursachen, erläuterte er. Dies könnten körperliche oder psychische Symptome sein, aber auch soziale Probleme oder die Sorge, anderen Menschen zur Last zu fallen. Manchmal gehe der Todeswunsch auch einfach auf die individuelle Persönlichkeitsstruktur zurück.

„Diese unterschiedlichen Formen der Todeswünsche verlangen auch ein unterschiedliches Handlungsrepertoire“, sagte Wedding. Häufig seien die Menschen mit ihrem Suizidwunsch auch sehr ambivalent. Patientinnen und Patienten mit nicht heilbaren Krebserkrankungen sollten entsprechend der Leitlinie für Palliativmedizin aktiv nach einem Todeswunsch gefragt werden, riet er. Dies sei häufig schon suizidpräventiv, so Wedding. „Für viele Patientinnen und Patienten ist das Wissen um die Möglichkeiten bereits Therapie.“

Während seiner 20-jährigen Tätigkeit in einem stationären Hospiz habe er kaum dauerhafte Suizidwünsche bei den Betroffenen erlebt, bestätigte André-Sebastian Zank, Vorstandsvorsitzender des Hospiz- und Palliativverbands Berlin. und Geschäftsführer des Diakonie-Hospiz Berlin-Lichtenberg. Dennoch sieht er gesetzlichen Regelungsbedarf. „Die Menschen müssen wissen, an wen sie sich mit welchem Bedarf wenden können“, betonte er.

Hospize seien für Suizidassistenz nach seiner Ansicht jedoch nicht zuständig. „Wir sind keine Sterbehilfeorganisation“, sagte Zank. Wer sich für die Ermutigung zum Leben zuständig fühle, so wie die Mitarbeitenden in Hospizen, könne schwerlich gleichzeitig Beihilfe zu einem Suizid leisten.

Verboten ist die Suizidbeihilfe aber weder den verschiedenen Professionen in Hospizen noch Ärzten generell. „Dennoch ist Suizidbeihilfe keine ärztliche Pflichtaufgabe“, betonte Wedding. „Unser Ziel in der Palliativmedizin ist es, Leiden zu lindern, nicht Leben zu verkürzen. Gleichzeitig müssen wir den Wunsch nach Selbstbestimmung respektieren.“ Jeder Arzt und jede Ärztin dürfe in jedem Einzelfall überlegen, ob sie einen Menschen bei einem Suizid helfen möchte, betonte der Palliativmediziner.

Dies betonte in diesem Frühjahr auch abermals der 129. Deutsche Ärztetag in Leipzig. Er forderte die Politik auf, endlich ein Suizidpräventionsgesetz zu verabschieden. Aber auch eine gesetzliche Neuregelung der Suizidhilfe hielt er für geboten. Dabei müsse man der Selbstbestimmung des Einzelnen gerecht werden und zugleich einer gesellschaftlichen Normalisierung des assistierten Suizids entgegenwirken, befanden die Delegierten.

Zentrale Bedeutung komme dem Schutzkonzept zu, das vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich genannt werde. Es müsse sichergestellt werden, dass Menschen vor nicht freiverantwortlichen und übereilten Entscheidungen oder Missbrauch geschützt würden.

Gleichzeitig dürfe eine neue gesetzliche Regelung die Suizidhilfe nicht zu einem Bestandteil der ärztlichen Berufsausübung machen, betonte das Ärzteparlament. Jedoch sei es durchaus Aufgabe von Ärztinnen und Ärzten, Menschen mit Suizidgedanken oder Todeswünschen mit Empathie und Gesprächsbereitschaft zu begegnen.

„Das vertrauensvolle Gespräch über den Wunsch des Patienten, zu sterben oder das eigene Leben zu beenden, gehört zum Kern der ärztlichen Tätigkeit, und zwar nicht nur im Rahmen der Begleitung kranker oder sterbender Menschen, sondern insbesondere auch bei suizidalen Gedanken außerhalb dieses Kontextes“, heißt es in dem Beschluss des 129. Deutschen Ärztetages. 

Wenn Sie Suizidgedanken haben oder bei einer anderen Person wahrnehmen: Kostenfreie Hilfe bieten in Deutschland der Notruf 112, die Telefonseelsorge 0800/1110111 und das Info-Telefon Depression 0800/3344 533. Weitere Infos und Adressen unter www.deutsche-depressionshilfe.de.

ER

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