Vorurteilsfreie Behandlung übergewichtiger Kinder und Jugendlichen gefordert

Berlin – Starkes Übergewicht oder Adipositas gilt als einer der wichtigsten beeinflussbaren Risikofaktoren für die Entstehung von Diabetes Typ 2. Angesichts der steigenden Zahl adipöser Kinder und Jugendlicher hat die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) deshalb den Stellenwert der Prävention einmal mehr unterstrichen. Zugleich setzt sich die Fachgesellschaft aber für eine Entstigmatisierung nicht übertragbarer Krankheiten wie Adipositas und Diabetes Typ 2 ein.
„Bundesweit sind aktuell 800.000 Kinder und Jugendliche an Adipositas erkrankt, davon rund 100.000 Jugendliche mit extremer Adipositas“, sagte Martin Wabitsch, Leiter der Abteilung Pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie und des endokrinologischen Forschungslabors an der Universitätsklinik für Kinder und Jugendmedizin Ulm.
Neben Bewegungsarmut und dem Überangebot an kalorienreicher Nahrung kann Adipositas auch genetisch bedingt sein. Der DDG zufolge liegt bei etwa jedem fünften Kind mit starkem Übergewicht eine Genvariante im Erbgut vor, die eine Fehlfunktion der Hunger- oder Sättigungsregulation im Gehirn verursacht. Rein verhaltenstherapeutische Ansätze ohne weitere Behandlung würden deshalb bei dieser Patientenklientel kaum greifen.
In diesem Zusammenhang wies die DDG darauf hin, dass das Medikament Liraglutid seit kurzem auch für Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren zugelassen ist. Liraglutid gehört zur Medikamentenklasse der sogenannten Inkretinmimetika oder GLP-1-Rezeptoragonisten und ahmt die sättigende Wirkung des Darmhormons GLP-1 (Glucagon-ähnliches Peptid) nach.
Das noch neue Wissen über die genetischen Ursachen der Adipositas und auch die Wirkung neuer Medikamente trage dazu bei, Betroffene und ihre Familien psychisch zu entlasten. „Wir müssen die Erkrankung Adipositas in der Gesellschaft, aber auch im medizinischen System entstigmatisieren“, betonte Wabitsch. Dazu könne auch das neue Disease-Management-Programm Adipositas beitragen, das derzeit im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) erarbeitet werde.
Es gebe bereits Überlegungen, nach dessen Zulassung auch ein eigenes strukturiertes Behandlungsprogramm für Kinder und Jugendliche mit Adipositas zu konzipieren. Dadurch wird Adipositas als Krankheit anerkannt sowie Kindern und Jugendlichen eine Behandlung nach Evidenz-basierten Leitlinien ermöglicht.
Außerdem setzen sich die Experten der Fachgesellschaft dafür ein, dass medikamentöse Adipositastherapien künftig nach Indikationsprüfung von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erstattet werden.
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