Ärzteschaft

„Wahlkampf im Wartezimmer ohne Empfehlung für eine Partei“

  • Mittwoch, 15. Januar 2025
Nicola Buhlinger-Göpfarth, Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes /picture alliance, Hannes P Albert
Nicola Buhlinger-Göpfarth, Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes /picture alliance, Hannes P Albert

Berlin – Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband wirbt gemeinsam mit dem Verband Medizinischer Fachberufe für eine bessere hausärztliche Versorgung. Die kommende Bundesregierung müsse für die ambulante hausärzt­liche Versorgung politisch deutlich mehr umsetzen, hieß es heute.

„Wir machen jetzt Wahlkampf in den Wartezimmern. Wir präferieren dabei unser eigenes Programm, geben aber keine Wahlempfehlung für eine politische Partei ab“, erklärte die Co-Bundesvorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, Nicola Buhlinger-Göpfarth, vor Journalisten. Als Verband werbe man für alle Programme der demokratischen Parteien, die sich für eine starke Praxis einsetzten, so die Hausärztin.

Besonderen Druck will der Verband beim Thema Entbudgetierung aufrechterhalten, die zwar im Koalitionsvertrag versprochen war, aber bis zum Bruch der Ampelkoalition nicht eingelöst wurde. Das entsprechende Gesetz, das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG), stand kurz vor dem parlamentarischen Beschluss.

Inzwischen hat die FDP-Bundestagsfraktion einen Beschluss in die Beratungen des Bundestages eingebracht, der die Entbudge­tierung ebenfalls fordert.

„Wir haben von der FDP-Bundestagsfraktion Briefe in die Praxen bekommen, in denen von dem Antrag berichtet wurde“, sagte Buhlinger-Göpfarth. Das habe zunächst verwundert. Zwar sei es gut, dass es noch in dieser Legislatur eine Chance auf ein Gesetz gebe, „aber wir sehen keine Bewegung hinter den Kulissen dafür“.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte bei Vorlage des FDP-Antrages von „Ironie" gesprochen, da die FDP das GVSG „monatelang blockiert" habe.

Auf die problematische finanzielle Situation in Hausarztpraxen sowie die daraus entstehenden Schwierigkeiten der Nachfolgersuche will der Verband nun mit einer Petition im Bundestag aufmerksam machen: 50.000 Praxen werden seit heute mit Informationsmaterial versorgt, damit Ärztinnen und Ärzte aber auch die Patientinnen und Patienten eine Petition unterschreiben, Zeichnungsfrist ist der 17. Februar.

Der Verband hofft, dass mehr als 100.000 Menschen unterschreiben, damit es zu einer öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses zur Situation der hausärztlichen Versorgung komme. Der Hausärztinnen- und Hausärzte­ver­band tritt dabei mit drei klaren Forderungen an, die die künftigen Mitglieder einer neuen Regierung umsetzen sollen: So müsse die hausarztzentrierte Versorgung (HzV) deutlich gestärkt werden, die Entbudgetierung der hausärztlichen Leistungen müsse folgen sowie die bessere Finanzierung der Praxismitarbeitenden.

„Schon heute sind zehn Millionen Menschen in der HzV eingeschrieben, das sind mehr als die Privatversicherten in Deutschland“, betonte Markus Beier, Co-Bundesvorsitzender des Verbandes. Daher müssten auch die Entbudgetie­rung sowie die bessere Finanzierung der Medizinischen Fachangestellten (MFA) kommen.

„Wir sehen es in diversen Umfragen: Die Zukunft der wohnortnahen Gesundheitsversorgung ist schon lange kein politisches Randthema mehr,“ so Buhlinger-Göpfarth. Für die Bürgerinnen und Bürger sei es eines der wichtigsten Themen der kommenden Jahre.

Die Menschen erwarteten von der Politik, dass sie dieses Problem löse. „Diese ewige Ankündigungsprosa, die wir in den vergangenen Jahren gehört haben, führt dagegen zu immer mehr Frustration unter den Teams in den Praxen und bei unseren Patientinnen und Patienten.“

Bei dem politischen Appell hat sich der Hausärzteverband mit dem Verband der Medizinischen Fachberufe zu­­sammenge­schlossen. „Schätzungsweise 200.000 MFA sorgen tagtäglich dafür, dass die Praxisteams trotz Budge­tierung, Digitalisierung und zunehmender Bürokratie ihre Aufgaben bei der ambulanten Versorgung der Patien­tinnen und Patienten erfüllen“, betonte Hannelore König, bei der gemeinsamen Pressekonferenz.

Viele MFA übernähmen delegierbare Leistungen und Hausbesuche. Auch bei den jetzt anstehenden Digitalisie­rungsprojekten wie der elektronischen Patientenakte (ePA) stünden die MFA den Patienten oft Rede und Antwort. „Und dies, weil die Krankenkassen nicht ausreichend informiert haben, was deren gesetzlicher Auftrag ist“, sagte König.

Dafür müsse es eine bessere Bezahlung der MFA geben. Zwar wurde gerade ein neuer Tarifvertrag beschlossen, doch in anderen Bereichen des Gesundheitswesens würden MFA deutlich besser bezahlt. So halte König es für „unangemessen“, dass MFA beispielsweise bei den AOKen höher bezahlt werden als in der Arztpraxis.

Laut dem gerade geschlossenen Tarifvertrag verdienen MFA ab Januar 2025 16,79 Euro pro Stunde in einer Arzt­praxis, im AOK-Tarifvertrag ab dem 1. Februar 2025 20,87 Euro pro Stunde gezahlt. Auch in Krankenhäusern sind die Gehälter höher, wodurch ein regelrechter Wettbewerb über die Medizinischen Fachangestellten entstehe, so König.

Es müsse für die MFA in den Arztpraxen eine vollumfängliche Gegenfinanzierung der Tarifsteigerungen geben, forderte König gemeinsam mit Buhlinger-Göpfarth und Beier. Denn die Steigerungen bei den Gehältern in den Krankenkassen sowie in den Krankenhäusern werden von den Beitragszahlern und den Finanzmitteln der Krankenhäuser finanziert. Die Arztpraxen müssten dies aus ohnehin budgetierten Leistungen erwirtschaften.

bee

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung