Wartezeiten für Patienten nicht wegen zu geringer Praxisöffnungszeiten

Berlin – Verschiedene Ärzteverbände haben sich gegen Vorwürfe des Spitzenverbandes Bund der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gewehrt, wonach Patienten Wartezeiten in Kauf nehmen müssten, weil Ärzte ihre Praxis durchschnittlich nur rund 28,5 Stunden pro Woche öffneten. Das hatte eine Forsa-Umfrage im Auftrag des Spitzenverbandes ergeben.
„Die niedergelassenen Ärzte würden liebend gerne mehr Zeit für ihre Patienten erübrigen. Der bürokratische Zusatzaufwand – zu dem die Krankenkassen mit Anfragen und dergleichen einen erheblichen Teil beitragen – lässt ihnen jedoch gar keine Chance dazu“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Köhler.
Die durch eine Umfrage des GKV-Spitzenverbandes ermittelten durchschnittlichen Sprechzeiten pro Woche von 30,4 Stunden bei Fachärzten und 26,2 Stunden bei Hausärzten seien nur einen Teil der ärztlichen Gesamtarbeitszeit. Hinzu kämen die Hausbesuche, die so gut wie alle außerhalb der Sprechzeiten stattfänden, außerdem die Bereitschaftsdienste nachts und am Wochenende sowie die Zeit, die für das Praxismanagement und Verwaltungsanforderungen nötig seien.
Der sogenannte Erweiterte Bewertungsausschuss von Ärzten und Krankenkassen habe das Zeitbudget für die vertragsärztliche Tätigkeit mit 51 Wochenstunden kalkuliert. Davon umfassten 44,6 Stunden sogenannte patientenunmittelbare Tätigkeiten, die übrigen 6,4 Stunden stünden für die Praxisorganisation zur Verfügung.
„Die Forsa-Umfrage zeigt, dass sich niedergelassene Fachärzte im Schnitt nur 32 Stunden pro Woche Zeit für ihre Patienten nehmen. Da braucht sich niemand mehr wundern, warum viele kranke Menschen so lange auf einen Termin warten müssen, obwohl wir immer mehr Ärzte in Deutschland haben“, hatte die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Doris Pfeiffer, die Ergebnisse der Umfrage im Magazin Der Spiegel kommentiert.
Von einer „Hetzkampagne gegen Ärzte“ sprach der NAV-Virchowbund. Nach einer aktuellen Burn-out-Umfrage der Brendan-Schmittmann-Stiftung des NAV-Virchow-Bundes vom März dieses Jahres betrage die durchschnittliche Arbeitszeit niedergelassener Ärzte 10,6 Stunden täglich.
Dabei behandele ein Praxisarzt rund 50 Patienten am Tag. „Es ist schon erstaunlich, wie wenig Ahnung anscheinend der Spitzenverband der Krankenkassen von der ambulanten Versorgung hat“, sagte der NAV-Vorsitzende Dirk Heinrich.
Kritik am GKV-Spitzenverband kam auch aus Brandenburg. „Diese Damen und Herren Kassenvertreter sollten sich einmal vor Ort in den Arztpraxen selbst ein Bild machen. Dann würden sie sehen, wie engagiert und intensiv dort gearbeitet wird“, sagte der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung des Landes, Hans-Joachim Helming.
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