Was die Achillessehne so widerstandsfähig macht

München – Eine Gewebeschicht aus extrem dünnen Proteinfasern sorgt für die extrem hohe Stabilität der Achillessehne. Das berichtet ein interdisziplinäres Team des neugegründeten Center for functional Protein Assemblies (CPA) und der Munich School of Bioengineering (MSB) der Technischen Universität München (TUM). Die Arbeit ist in der Fachzeitschrift Nature Materials erschienen (2017; doi: 10.1038/NMAT4863).
Die Achillessehne ist die stärkste Sehne des menschlichen Körpers. Sie verbindet Fersenbein und Wadenmuskel und hält bis zum Zehnfachen des Körpergewichts aus. „Obwohl in der Orthopädie täglich Patienten mit Sehnenverletzungen behandelt werden, wissen wir noch immer sehr wenig über den genauen feingeweblichen Aufbau am direkten Übergang von der Sehne zum Knochen: Die biochemischen Vorgänge, die Mikromechanik und die Mikrostruktur des Gewebes sind bisher kaum erforscht“, berichtet Rainer Burgkart, Oberarzt und Forschungsleiter am Lehrstuhl für Orthopädie und Sportorthopädie der TUM.
„Dass die Sehnen direkt am Knochen ansetzen, das war bislang die Annahme. Tatsächlich gibt es jedoch einen Übergangsbereich. Hier spleißt sich das Sehnengewebe auf in Dutzende von feinen Fasern mit einer ganz charakteristischen biochemischen Zusammensetzung“, erklärt Andreas Bausch, Inhaber des Lehrstuhls für Zellbiophysik und Leiter der interdisziplinären Forschungsgruppe. „Die dünnen Fasern sind fest in der zerklüfteten Oberfläche des Knochens verankert und mechanisch äußerst belastbar.“ Menschen seien daher in der Lage, über Hürden zu springen, hohe Sprünge und harte Landungen zu machen, ohne dass die Verbindung zwischen Sehne und Fersenbein Schaden nehme. Tatsächlich reißt eher die Sehne, als dass sich die Verbindung zum Knochengewebe löst.
Zu ihrer Ergebnis kamen die Forscher mit einem neuen interdisziplinären Ansatz: Ein Stück Schweineknochen mit Sehne wurde am Lehrstuhl für Zellbiophysik in eine Apparatur eingespannt und fixiert. Dann richteten die Wissenschaftler das Mikroskop auf die Grenzschicht, entlang derer die Sehne mit dem Knochen verwachsen ist. Mithilfe der sogenannten Multiskalen-Mikroskopie-Technik erstellten sie Dutzende von Aufnahmen und setzten sie digital zu einem großen Bild zusammen.
„Auf diese Weise konnten wir die Struktur der feinen, aufgespleißten Fasern sichtbar machen“, berichtet Bausch. Im nächsten Schritt verwendete das Team fluoreszierende Antikörper, um bestimmte Proteine zum Leuchten zu bringen. Hier zeigte sich, dass die dünnen Fasern eine andere biochemische Zusammensetzung haben als die eigentliche Sehne. Im dritten Teil des Experiments bewegten sie die Sehne unter Belastung hin und her und filmten dabei die Fasern. Das Ergebnis: Je nach Belastungsrichtungen sind unterschiedliche Fasern aktiv und stabilisieren den Kontakt
Ergänzt wurden die lichtmikroskopischen Untersuchungen durch hochauflösende Bilder eines Elektronenmikroskops. Mitarbeiter des Lehrstuhls für medizinische Biophysik setzten außerdem einen Mikro-Computertomographen ein, mit dem sich die Grenzregion dreidimensional darstellen ließ. Am Lehrstuhl für organische Chemie wurden die unterschiedlichen Proteine in Sehnen und Übergangsfasern analysiert. „Unsere Ergebnisse erlauben es erstmals, die biochemischen und biomechanischen Prozesse in der Kontaktzone zwischen Knochen und Sehne zu verstehen, die unserem Bewegungsapparat seine enorme Stabilität verleihen“, resümiert Bausch.
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