Weitere Ambulantisierung vorantreiben

Berlin – Eine zunehmende Ambulantisierung bisher stationär erbrachter Leistungen ist angesichts der finanziellen und personellen Herausforderungen in den Krankenhäusern dringend geboten. Dies betonte gestern Reinhard Busse, Professor für Management im Gesundheitswesen an der Technischen Universität (TU) Berlin.
Um das hohe ambulante Potenzial zu heben, sei eine weitere Überarbeitung des AOP-Katalogs hinsichtlich der einbezogenen Leistungen sowie der Kontextprüfung unbedingt erforderlich, sagte Busse im Rahmen einer Veranstaltung des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi). Der AOP-Katalog 2023 falle hinsichtlich der einbezogenen Leistungen deutlich hinter das im IGES-Gutachten aufgezeigte Potenzial zurück und müsste auch konservative Behandlungen umfassen.
Zudem sollte im Zusammenhang mit der Ambulantisierung auch eine Neuordnung der Behandlungsprozesse angedacht werden, so Busse. Insbesondere im onkologischen Kontext seien Optimierungen möglich. So würden in Deutschland Krebspatientinnen und -patienten doppelt so häufig stationär versorgt wie in anderen vergleichbaren Ländern. Behandlungsketten müssten innovativ gedacht und neu sortiert werden.
Eine gewisse Hoffnung setzt Busse auf „Hybridinstitutionen“: Er verwies auf die im Zuge der geplanten Krankenhausreform vorgesehenen sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen. Diese könnten durchaus eine wichtige Rolle auf dem Weg hin zu deutlich mehr Ambulantisierung spielen. Voraussetzung sei aber eine starke Konzentration der eigentlichen stationären Fälle auf Krankenhäuser, die die im Krankenhausreformgesetz vorgesehenen Leistungsgruppen und die damit verbundenen Personalmindestanforderungen erfüllen.
Auch Wulf-Dietrich Leber vom GKV-Spitzenverband betonte, mit strikten und verpflichtenden (Pflege-)Personalvorgaben für Krankenhäuser könne man die Ambulantisierung befördern. Die „neue Situation im personellen Bereich“ sei schon jetzt offenbar ein Faktor für die Krankenhäuser.
Im vergangenen Jahr seien die GKV-Ausgaben für ambulante Operationen um fast 30 Prozent gestiegen. Es tue sich also etwas, nachdem es sich seit der Einführung des ambulanten Operierens im Jahr 1996 als „ausgesprochen schwierig“ erwiesen habe, dies im größeren Umfang umzusetzen.
In Hessen wolle man die Ambulantisierung bei der künftigen Krankenhausplanung berücksichtigen, erklärte Ben Michael Risch, Referatsleiter im Ministerium für Soziales und Integration in Hessen. Man sei bereits dabei, entsprechende Daten zum Potenzial auf Basis des AOP-Kataloges zu konsentieren. Diese Grundlage solle dann in der Planung genutzt werden, auch wenn man derzeit aufgrund des „schleppenden Fortschrittes auf Bundesebene“ noch zurückhaltend sei.
Grundlage der Diskussion waren die Ergebnisse des Forschungsprojekts „Ambulantisierungspotenzial in deutschen Akutkrankenhäusern“, welche von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der TU Berlin erarbeitet wurden.
In der Analyse wurde das Ambulantisierungspotenzial anhand zweier abweichender Methoden untersucht. Dies war zum einen das vom IGES-Institut im Gutachten zu § 115b SGB V vorgeschlagene Kontextfaktorenmodell. Zum anderen eine Berechnung, in dem die Einschlüsse und Kontextfaktoren des Katalogs „Ambulante Operationen und stationsersetzende Eingriffe“ (AOP-Katalog) aus dem Jahr 2023 zugrunde gelegt worden sind.
Demnach hätten nach dem IGES-Modell 2021 rund 2,6 oder nach dem AOP-Katalog rund 2,7 Millionen stationär erbrachte Behandlungen ambulant vorgenommen werden können. Dies entspricht knapp 18 beziehungsweise 19 Prozent aller stationären Behandlungsfälle.
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