Welt-Poliotag: Nicht nur Ebola kann Grenzen überschreiten
Seit Jahren verkündet die Global Polio Eradication Initiative (GPEI), die 1988 von WHO, UNICEF und Rotary International gegründet wurde, das bevorstehende Ende der Polio. So auch heute zum Welt-Poliotag, der zum (dieses Jahr 100.) Geburtstag des Impfstoffentwicklers Jonas Salk begangen wird. Bis 2018 soll die Eradikation geschafft sein.
Zweifel sind angebracht. Immer wieder haben es Kriege und andere politische Krisen verhindert, dass das Ziel erreicht wird. Und die weltpolitische Lage sieht derzeit nicht sehr günstig aus. In Pakistan hat es in diesem Jahr bereits 243 Erkrankungen – und wahrscheinlich hundert Mal so viele asymptomatische Infektionen – gegeben.
Das ist die höchste Zahl an Neuerkrankungen in Pakistan seit dem Jahr 2000. In einigen Regionen des Landes werden die Impfungen seit der Tötung von Osama bin Laden abgelehnt. Impfärzte sollen damals an der Aufspürung des Al-Kaida-Führers beteiligt gewesen sein. Dies ist zwar nur ein Gerücht, aber andere Gerüchte (über die vermeintliche Sterilisation von Mädchen im islamischen Norden des Landes) haben vor einigen Jahren in Nigeria ausgereicht, um die dortige Impfkampagne zu stoppen.
Die Folge sind Exporte in andere Länder. Aus Nigeria zog sich die Spur bis zur arabischen Halbinsel und von dort nach Indonesien. Dieses Mal könnten die Viren über Syrien und den Nordirak sogar nach Deutschland gelangen. In beiden Ländern hat es in den letzten Monaten Erkrankungen gegeben und die Flüchtlingsströme reichen bekanntlich bis nach Deutschland.
Das Robert Koch-Institut (RKI) hat deshalb im Oktober 2013 – neben der regulär für alle Asylbewerber angebotenen Polioimpfung – Stuhluntersuchungen von asymptomatischen syrischen Kindern unter drei Jahren empfohlen. Bis Ende April 2014 wurden mehr als 600 Stuhlproben untersucht. Bei 12 Kindern wurden Polioviren entdeckt.
Glücklicherweise handelte es sich jeweils um Impfviren, die nach einer Schluckimpfung noch monatelang mit den Faeces ausgeschieden werden können. Dass eine Einschleppung von Poliowildviren nach Deutschland nicht auszuschließen ist, zeigen die Erfahrungen aus Israel, wo die Viren bei Routinekontrollen in Abwässern gefunden wurden – was aufgrund des fehlenden Reservoirs bei anderen Spezies immer auf eine Infektion von Menschen hinweist.
Das RKI rät den Ärzten, den Impfschutz ihrer Patienten zu überprüfen und gegebenenfalls nachzuimpfen. Die derzeitige Angst vor den Ebolaviren könnte sonst schnell den Blick auf andere durchaus reale Gefahren verstellen.
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