Weltalzheimertag: Nicht jede Demenz ist unheilbar

Berlin – Eine Differentialdiagnose bei Demenz ist immer früher möglich. Dennoch werden die verschiedenen Formen in der Versorgungsrealität häufig nicht unterschieden, warnte Michael Rapp, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und -psychotherapie in Berlin im Vorfeld des Weltalzheimertages am 21. September. Zudem seien fünf bis 15 Prozent der Demenzen reversibel, weil sie beispielsweise auf Schilddrüsenfunktionsstörungen oder Vitaminmangel zurückführbar wären. Um die Forschung und Versorgung Demenzkranker zu verbessern, fordert die Organisation zusammen mit der Hirnliga und der Deutschen Alzheimer Gesellschaft eine Nationale Demenzstrategie im neuen Koalitionsvertrag zu verankern.
„Die wichtigste Leistung der vergangenen Jahre besteht darin, dass die Alzheimererkrankung heute bereits im Stadium einer leichten kognitiven Störung diagnostiziert werden kann, deutlich bevor die geistigen Fähigkeiten stark eingeschränkt sind und eine Demenz vorliegt“, sagte Oliver Peters vom Vorstand der Hirnliga. Über experimentelle Methoden mit Magnetresonanztomografie berichteten erst kürzlich der New Scientist. Mittels Künstlicher Intelligenz wollen italienische Forscher Alzheimer bereits zehn Jahre vor Beginn der Krankheit diagnostizieren. Etabliert seien derzeit aber ausschließlich die Diagnostik aus dem Gehirnwasser oder Nuklearmedizinische Verfahren, um die Ursache der Erkrankung einzugrenzen, berichtete Peters.
Ob eine frühzeitige Therapie die Prognose verbessert, gilt es noch in klinischen Studien nachzuweisen. Dennoch sind sich alle Experten einig: Im Jahr 2018 sollen neue Diagnosekriterien bei Demenz auch verbindlich im ICD-11 festegehalten werden. „Diese Veränderung ist dringend notwendig“, erklärte Peters. Im Deutschen Ärzteblatt wurde über den Vorschlag für neue Kriterien bereits im Jahr 2010 berichtet.
Nicht ganz so rosig sah es in der Vergangenheit in der klinischen Forschung aus. Im Jahr 2014 kam eine Studie in Alzheimer's Research & Therapy zu dem Schluss, dass 99,6 Prozent aller erprobten Demenzmedikamente nicht erfolgreich waren. In anderen medizinischen Gebieten liegt die Misserfolgsquote bei etwa 90 Prozent. Peters sieht die derzeitige Entwicklung dennoch hoffnungsvoll: „Auch in der Tumormedizin ist die Forschung lange Zeit auf der Stelle getreten. Über ein Jahrzehnt war die Erfolgsquote ähnlich desaströs wie in der Demenzforschung.“
Mehr Klinische Forschung
Die nächsten fünf Jahre entscheiden seiner Meinung nach darüber, ob dieses Forschungsgebiet auch von den forschenden Pharmafirmen weiter verfolgt wird. „Wenn wir es nicht schaffen in den kommenden Jahren zumindest eine Tür zu öffnen, die uns zeigt, dass wir mit unserer Forschung auf dem richtigen Weg sind, dann könnte es was den kurativen Ansatz angeht zu einem therapeutischen Nihilismus kommen.“ So sei es bei anderen Krankheiten bereits passiert. Diese Gefahr bestünde derzeit aber noch nicht, versicherte Peters.
Aktuell haben 19 Medikamente das letzte Stadium der Erprobung gegen Alzheimer erreicht (Phase III) erreicht, teilt der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) mit. Davon enthalten 16 neue Wirkstoffe und drei schon für andere Zwecke zugelassene Wirkstoffe. Dennoch kritisiert Peters, dass in der klinischen Forschung in den vergangenen Jahren zu wenig passiert sei. Die Hirnliga schreibt daher ein Forschungsstipendium mit 100.000 Euro aus. Die Bewerbungsphase wird am 15. Oktober abgeschlossen.
„Solange es keine wirksamen Therapien gegen Demenz gibt, gilt der Vorbeugung ein besonderes Augenmerk“, sagte Ulrich R. Fölsch aus Kiel, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin. Er verweist auf eine Studie im Lancet, die besagt, dass ein Drittel aller Demenzfälle durch folgende Maßnahmen verhindert werden könne: Übergewicht senken, gesund ernähren, nicht rauchen, Stoffwechselstörungen sowie Depression behandeln und nicht zuletzt ein körperlich, geistig und sozial aktives Leben führen.
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