Wer spricht denn noch deutsch?
Ich las eine spanische Studie vor kurzem durch und fühlte mich plötzlich wieder in meine Frankreichzeit anno 2007/2008 zurueckversetzt: Damals war „AIDS“ „SIDA“, „MS“, also „multiple Skelrose“, S.P.“, bzw. „sclérose en plaques“ und selbst dieses ubiquitär scheinende COPD war „BPCO“ in Frankreich. „Unsere spanischen Kollegen machen es ebenso!“, dachte ich bei mir als ich von ihren „HBPM“ las mit dem sie ihr Enoxaparin bezeichneten, während wir in Deutschland neben den „UFH“ (unfraktionierte Heparine) nur noch das englischinspirierte LMWH (niedermolekularen Heparine, englisch „low molecular-weight heparin“) kennen.
Was ist mit uns Deutschen los? Wieso sind wir anders als Spanier, Franzosen und Englischsprachler und finden nicht eigene deutsche Namen für Krankheiten? Wie kommt es, dass wir Deutsche, die früher selbstverständlich deutschäquivalente Bezeichnungen einführten und sogar Eigennamen benutzten und z.B. dem englischen „Graves disease“ einen eigenständigen Namen „Morbus Basedow“ entgegensetzten?
Wie kommt es, dass die Hashimoto-Thyroiditis nach einem im Deutschen veröffentlichenden Japaner Anfang des 20. Jahrhunderts benannt wurde, heutzutage aber für in Deutschland anzutreffende Krankheiten manchmal noch nicht einmal ein deutscher Begriff gefunden wird? Haben wir Angst vor unserer Sprache und Kultur?
Bin ich der einzige, der sich daran stört, Begriffe so zu benennen und mit Abkürzungen zu versehen, dass deutschsprachige Krankenschwestern, Ärzte und vor allem Patienten sie nicht verstehen? Warum nicht deutsch mit anderen Deutschen reden? Sollten wir nicht stolz sein, dass der deutschsprachige Raum einen derart wertvollen Beitrag zur Medizin hatte und hat?
Mein lybischer Kollege stößt mich mindestens einmal im Monat während eines Vortrages an und raunt mir in solchen Fällen zu: „Mensch, schon wieder irgendein Deutscher, der wieder etwas Bedeutendes gefunden hat. Ich wäre wirklich stolz an Deiner Stelle.“
Bin ich dann auch. Dabei denke ich dann auch darüber nach, ob COPD am besten als „chronisch-obstruktive Lungenerkrankung“ als COLE abgekürzt werden sollte oder wir lieber etwas Wohlklingenderes wie „OELS“ fuer „obstruktiv-emphysematöses Lungensyndrom“ sagen sollten. Was die Spanier können, dürfte uns auch nicht allzu schwerfallen.
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