Unterwegs

Wessen Brot ich ess‘ – Heucheleien unter Empfängern

  • Montag, 28. März 2011

Üblicherweise werden von den Medien im Zusammenhang mit Entwicklungspolitik die Geber – meist vermögende Privatpersonen – als „Gutmenschen“ bezeichnet. Diesem Begriff haftet auch etwas Negatives an, es schwingt darin der Vorwurf mit, diese Menschen wollten sich mit all ihrem zur Verfügung stellenden Geld zu etwas Besserem machen. Nun, das mag in manchen Fällen so sein.

Interessant ist es aber auch einmal, auf die Seite derjenigen zu blicken, die in den Entwicklungsländern selbst im Auftrag dieser Gutmenschen unterwegs sind – meist „locals“ neben wenigen internationalen Entwicklungshelfern und Beratern, keine aus dem Westen Gesandten (das wäre bei den Einkommen auch nicht zu finanzieren…).  Diese Personen verdienen meist schon ein Vielfaches ihrer Landsleute, da sie von den Gutmensch-Organisationen recht ordentlich bezahlt werden.

Bei meinen Auslandsrecherchen in Entwicklungsländern begegne ich diesen Leuten sehr oft – und habe meist großen Respekt vor ihrer Tätigkeit, schließlich sind sie ja irgendwie Gutmenschen direkt vor Ort – dachte ich zumindest lange. Sie arbeiten im Sinne der Gesundheit ihres Volkes, sind Mittler zwischen Ost und West und kennen die häufig komplizierten Strukturen vor Ort sehr gut.

Bei meiner letzten Recherche traf ich zu 90 Prozent mit solchen „Mittlerpersonen“ zusammen.  Sie alle betonten mir gegenüber mehrfach, wie gerne sie an ihrem Projekt zur Unterstützung armer Bevölkerungsschichten durch eine Krankenversicherung arbeiteten, denn schließlich, lautete der einhellige Tenor, sei man gerne „für die Armen aktiv“ – Tag und Nacht sei man ansprechbar.

Nun, häufig werde ich im Zuge meiner Recherchen in ärmeren Ländern auch von Menschen vor Ort um Hilfe gebeten, um Ratschläge oder es ist einfach nur ein offenes Ohr gefragt. Eine Frau, die an der Rezeption meiner kleinen Unterkunft arbeitete, schilderte mir die dramatische Situation ihres Pflegekindes.

Das Mädchen, heute 13, Waise, leidet unter massiven Bandscheibenproblemen und musste sich bereits einer komplizierten Operation unterziehen. Nur durch die großzügige finanzielle Hilfe der Frau an der Rezeption – ihrer „Pflegemutter“ – gelang  die OP in einem staatlichen Krankenhaus. 

Das Problem aber ist, dass dem Mädchen in wenigen Jahren eine weitere, teure und aufwendige Operation bevorsteht, will sie halbwegs normal laufen und leben können. Eine Versicherung gibt es nicht. Die Pflegemutter ist am Ende ihrer Kräfte angekommen, Geld für eine zweite Operation wird sie nicht geben können.

Nun, die vielen so engagierten „Mittlerpersonen“ vor Ort, die mir alle den aufopfernden Einsatz für Menschen wie genau dieses Mädchen beteuert hatten, die müsse ich einfach nur kurz fragen und eine Lösung wäre schnell gefunden. Dachte ich.

Nach mehrfachem Nachfragen verschiedener Projektpersonen gab ich die Suche auf. Denn Dinge, die außerhalb des großzügig finanzierten Projektrahmens geschehen, scheinen nicht zu interessieren. Weder tagsüber noch nachts.

mis

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