Vermischtes

WHO prangert Marketing bei Babynahrung an

  • Mittwoch, 23. Februar 2022
/Prostock-studio, stock.adobe.com
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Genf – Die Weltgesundheitsorganisation WHO wirft Herstellern von Babynahrung „skrupellose Vermark­tung“ vor, die gezielt Schwangere und junge Mütter verunsichere. Die Hersteller manipulierten Eltern und Gesundheitspersonal, hieß es heute in einer Untersuchung der WHO und des UN-Kinderhilfswerks Unicef.

So würden irreführende oder wissenschaftlich nicht fundierte Behauptungen aufgestellt, um Mütter dazu zu bringen, Babys Säuglingsnahrung statt Muttermilch zu geben. Die Industrie war 2019 der Analyse zu­folge 55 Milliarden Dollar (48 Milliarden Euro) wert.

Während die Still­quote in den vergangenen 20 Jahren leicht angestiegen sei, habe sich im gleichen Zeit­raum der Umsatz der Säuglingsnahrungshersteller fast verdoppelt. Es gebe rund ein halbes Dutzend gro­ße Unternehmen, sagte Nigel Rollins, bei der WHO zuständig für Mutter-Kind-Gesundheit. Ihre Praktiken seien ähnlich. Einzelne Unternehmen werden nicht genannt.

Einer der größten Babynahrungshersteller ist der Schweizer Konzern Nestlé. Er teilte auf Anfrage mit, dass das Unternehmen schon jetzt in 163 Ländern nicht für Nahrung für Babys unter zwölf Monaten werbe. Bis Jahresende werde alle Werbung weltweit für Babynahrung bis zum sechsten Lebensmonat gestoppt.

„Nestlé unterstützt die Annahme von Gesetzen über das Marketing von Babynahrung in allen Ländern“, teilte das Unternehmen mit. Nur 25 Länder hätten den Verhaltenskodex von 1981 über die Vermarktung von Babynahrung weitgehend umgesetzt, hatte die WHO 2020 berichtet. Deutschland gehört nicht dazu.

Es gehe der WHO nicht darum, Babynahrung aus den Verkaufsregalen zu verbannen, betonte Rollins. Manche Säuglinge brauchten diese Nahrung. In der Studie gehe es nur um Vermarktungsmethoden, die Mütter, die eigentlich stillen wollten und könnten, manipulierten.

„Soll die Geburt eines Kindes wirklich eine Angelegenheit für kommerzielle Geschäfte sein?“, sagte Rol­lins. Die Studie vergleicht die Vermarktung von Säuglingsnahrung mit der von Tabak oder Glücks­spiel­angeboten, „bei denen der Verkauf Vorrang vor der Gesundheit und Entwicklung des Kindes hat“, wie es heißt.

Unternehmen starteten oder infiltrierten Müttergruppen auf sozialen Medien, um Babynahrung zu propa­gieren, heißt es in der Studie.

Gesundheitspersonal werde etwa bei Konferenzen oder durch Broschüren mit zweifelhaften Informatio­nen versorgt, die sie oft an Mütter weitergäben: etwa, dass Babys mit Säug­lings­nahrung länger schliefen, dass Muttermilch mit der Zeit an Qualität verliere oder dass bestimmte Produkte Allergien vorbeugen könnten. Manchmal erhielten sie eine Provision von Firmen, wenn sie Kundinnen rekrutierten.

Nach Angaben der WHO hat 100-prozentiges Stillen in den ersten Lebensmonaten lebenslange gesund­heitliche Vorteile. Unter anderem verringere dies Risiken für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Fettleibigkeit und Diabetes sowie Brustkrebs bei den Müttern.

Für die Studie wurden 8.500 Schwangere und junge Mütter sowie 300 Gesundheitsbedienstete in acht Ländern gefragt: Bangladesch, China, Großbritannien, Mexiko, Marokko, Nigeria, Südafrika und Vietnam.

51 Prozent der Befragten gaben an, Werbung erhalten zu haben, etwa auf sozialen Medien oder in Kliniken. In Bangladesch sagten 57 Prozent der Mütter, Gesundheitspersonal habe ihnen künstliche Babynahrung empfohlen, in Nigeria 45 und in Großbritannien 30 Prozent.

dpa

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