Vermischtes

WHO warnt vor Ablenkungsmanövern der Tabakindustrie

  • Montag, 17. November 2025
/pavelkant, stock.adobe.com
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Genf – Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt vor Industrieversuchen, den Kampf gegen Tabak und Nikotin zu untergraben. Vor der heute in Genf beginnenden Konferenz der Vertragsstaaten der Antitabakkonvention (FCTC) machte ein angeblich geplantes EU-Verbot von Filterzigaretten Schlagzeilen. Medien wurden aufgeschreckt, obwohl die EU die Angaben dementiert hat.

Die Tabakfirmen seien sehr einflussreich, mahnt Etienne Krug, der Direktor der für Tabak zuständigen WHO-Abteilung. „Wir müssen uns der Einmischung der Industrie in Debatten bewusst sein.“ Die WHO würde ein Filterverbot zwar begrüßen. „Das darf aber nicht etwa von der Besteuerung von Tabak ablenken, was den Verbrauch sehr viel stärker schrumpfen lassen würde“, sagt Krug im Gespräch der Deutschen Presse-Agentur.

Eine wachsende Nikotinabhängigkeit vor allem unter jungen Menschen ist eines der Themen, die in dieser Woche beim Treffen der 183 Vertragsstaaten der Antitabakkonvention zur Sprache kommen sollen. 15 Millionen Jugendliche zwischen 13 und 15 Jahren nutzen nach WHO-Schätzungen bereits E-Zigaretten, die unter jungen Menschen populärer seien als konventionelle Zigaretten.

Die Konvention verpflichtet Länder zum Kampf gegen Tabak und Nikotin, unter anderem mit Werbeverboten, hohen Steuern auf die Produkte und Maßnahmen gegen die Einflussnahme von Tabakfirmen auf die Gesundheitspolitik. Die Konvention heißt mit vollem Namen „WHO-Rahmenübereinkommen zur Eindämmung des Tabakgebrauchs“ und trat vor 20 Jahren in Kraft. Das Treffen solle neue Energie in den Kampf gegen die gesundheitsschädlichen Produkte bringen, sagte der amtierende Vorsitzende des Sekretariats der Antitabakkonvention, Andrew Black, in Genf.

Unter anderem hat eine Expertengruppe ein Papier mit Vorschlägen für neue Maßnahmen im Kampf gegen den Tabak vorgelegt. Dazu zählt auch ein Verbot von Zigarettenfiltern – nicht nur, weil sie die Illusion gäben, Rauchen mit Filter sei gesünder, sondern auch, weil das Plastik und die Giftstoffe aus Billionen von weggeworfenen Kippen weltweit die Umwelt nachhaltig verschmutzen.

Ebenso plädieren die Experten für ein Verbot von Aromastoffen zum Beispiel in E-Zigaretten, weil diese besonders junge Leute zur Nikotinsucht verführten. Das Papier stammt von unabhängigen Fachleuten, die von den Vertragsstaaten beauftragt waren, neue Ideen zur Einschränkung von Tabak- und Nikotinkonsum vorzulegen.

EU-Kommission: Kein Verbot von Filterzigaretten geplant

Filterzigaretten machen 90 Prozent des Marktes aus. Die WHO selbst kann Filterzigaretten nicht verbieten. Die für Gesetzesinitiativen zuständige EU-Kommission stellte klar: „Die Europäische Kommission plant nicht, Filterzigaretten zu verbieten.“

Die Vorschläge der Fachleute seien nicht verbindlich, sagte Benn McGrady, Jurist in der WHO-Abteilung, die sich mit Tabak beschäftigt. „Normalerweise wird ein solcher Bericht von der Konferenz zur Kenntnis genommen, und dann könnten einzelne Vertragsparteien die Maßnahmen ergreifen, die sie für angemessen halten.“

Die Konferenz dauert bis zum 22. November. Vom 24. bis 26. November treffen sich in Genf Vertreter der 71 Staaten, die das „Protokoll zur Unterbindung des unerlaubten Handels mit Tabakerzeugnissen“ unterzeichnet haben.

Die vor 20 Jahren in Kraft getretene Antitabakkonvention, die auch Deutschland ratifiziert hat, ist rechtsverbindlich. Darin sind Ziele genannt, etwa die Einschränkung des Verkaufs, hohe Steuern oder Werbeverbote. Wie das erreicht wird, entscheiden Regierungen selbst.

Deutschland bekommt in den WHO-Berichten über Fortschritte im Kampf gegen Tabak und Nikotin meist schlechte Noten: Die Steuern seien nicht hoch genug. Sie sollten nach WHO-Angaben mindestens 75 Prozent des Preises ausmachen. Auch die WHO-Empfehlung, Zigaretten in Einheitspackungen ohne Farben und Logos zu verkaufen, ist in Deutschland bisher nicht umgesetzt.

Auch neue Produkte der Tabakindustrie wie E-Zigaretten oder solche, die den Tabak erhitzen statt verbrennen, sind der WHO ein Dorn im Auge. „Die WHO empfiehlt allen Ländern, Nikotinpflaster, E-Zigaretten, Tabakerhitzer und rauchfreien Tabak mindestens genauso streng zu regulieren wie herkömmliche Tabakprodukte“, so WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus. Die WHO hat sich auch bereits für ein Verbot von Aromastoffen ausgesprochen, weil die Produkte vor allem auf Kinder zielten, um sie früh nikotinabhängig zu machen.

„Die Tabak- und Nikotinindustrie ist mit immer neuen Produkten unterwegs, etwa den Vapes, weil sie junge Leute ansprechen, die sie damit früh nikotinabhängig machen – so sichern sie ihren Markt“, sagte die Ärztin Ulrike Helbig, die das Berliner Büro der Deutschen Krebshilfe leitet. Vapes sind elektronische Geräte, die eine Flüssigkeit
erhitzen und Dampf erzeugen, der inhaliert wird. Die meisten Vapes enthalten Nikotin.

Es gibt sie mit Geschmacksrichtungen, wie Gummibärchen oder Zuckerwatte, die besonders junge Menschen ansprechen. Helbig unterstützt Empfehlungen der WHO, Aromastoffe zu verbieten. Sie würde auch ein Filterverbot begrüßen. „Alles, was den Tabak- und Nikotinkonsum eindämmen kann, muss umgesetzt werden“, sagte Helbig.

In Deutschland sterben nach ihren Angaben 127.000 Menschen pro Jahr aufgrund von Tabakkonsum. Jede fünfte der 520.000 Krebsneuerkrankungen im Jahr gehe auf Tabak und Nikotin zurück. Die volkswirtschaftlichen Kosten durch die Behandlung von Kranken sowie Verdienstausfälle seien etwa sechsmal so hoch wie die Einnahmen aus
der Tabaksteuer.

Streeck ruft zum Rauchstopp auf

Der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Hendrik Streeck (CDU), rief heute aus Anlass des Welt-COPD-Tages übermorgen zum Rauchstopp auf. „Jede nicht gerauchte Zigarette schützt Lunge, Herz und Leben“, teilte er mit. „Sie senkt nicht nur das persönliche Krankheitsrisiko – Rauchen verursacht auch jedes Jahr volkswirtschaftliche Schäden von rund 100 Milliarden Euro. Kosten, die am Ende wir alle tragen.“

Rauchen sei schädlich für die Gesundheit, für die Wirtschaft und für die Gesellschaft. Als Arzt könne er nur dazu raten, denn mit dem Rauchen aufzuhören verbessere nachweislich die Lungenfunktion und senke das Risiko schwerer Folgeerkrankungen wie Krebs, Herzinfarkt oder Schlaganfall.

dpa

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