Widerstand aus Bundesländern gegen Ausreisesperren

Berlin – Die von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) befürworteten Ausreisesperren für Regionen mit akutem SARS-CoV-2-Ausbruch stoßen auf Widerstand in den Ländern. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) meldete heute „dringenden Gesprächsbedarf“ an.
Er warnte, Grundrechte könne man nicht beliebig einschränken. Die Landesregierungen von Sachsen und Berlin äußerten Zweifel an der Umsetzbarkeit. Bund und Länder wollen ihre Gespräche darüber morgen fortsetzen, wie es aus Regierungskreisen hieß.
In der Debatte geht es um die Frage des Umgangs mit örtlich begrenzten Ausbrüchen – einen solchen Ausbruch hatte kürzlich etwa der Landkreis Gütersloh zu verzeichnen. Kanzlerin Merkel sprach sich gestern dafür aus, Einwohner von betroffenen Gegenden vorübergehend mit Ausreisesperren zu belegen, damit sie das Virus nicht im Rest des Landes verbreiten.
Eine solche Maßnahme erfordert aber die Zustimmung der Bundesländer. Am vergangenen Montag hatten Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) und die Chefs der Staatskanzleien der 16 Bundesländer über eine entsprechende Vorlage aus dem Kanzleramt beraten. Die Positionen lagen heute aber noch weit auseinander. Morgen wollen sich Braun und die Staatskanzleichefs abermals für Beratungen zusammenschalten, verlautete aus Verhandlungskreisen. Als offen galt, ob dann schon eine Einigung zu erwarten ist.
Sachsen-Anhalts Regierungschef Haseloff verwies im ZDF darauf, dass der Staat im Kampf gegen die Pandemie nicht beliebig strikte Maßnahmen ergreifen könne. Er kritisierte es zudem als „nicht praktikabel“, Landkreise abzuriegeln, um Ausreisesperren durchzusetzen. Haseloff befürwortet eine Mischung aus Quarantänemaßnahmen und einem Beherbergungsverbot für Menschen, die aus Hotspots in andere Regionen reisen wollen - dies entspricht der derzeit geübten Praxis.
Haseloff zeigte sich zuversichtlich, dass sich Bund und Länder in den anstehenden Beratungen auf eine gemeinsame Linie verständigen können: „Wir sind alle interessiert daran, dass es eine einheitliche Vorgehensweise gibt.“
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte bereits gestern Zustimmung zu Ausreisesperren signalisiert. Sachsen und Berlin warfen allerdings die Frage auf, wie derartige Sperren überwacht werden sollten. Die „zentrale Frage“ sei, „inwieweit ist das umsetzbar“, sagte Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) im RBB.
Grundsätzlich halte sie es für sinnvoll, wenn Menschen aus Hotspots zuhause blieben, sagte Kalayci. Für Berlin sei das aber „schwierig“, fügte sie hinzu. „Die Bezirke haben die Größenordnung von Landkreisen in anderen Bundesländern. Da kann man natürlich keine Reisebeschränkungen verhängen.“
Ein Sprecher der sächsischen Staatskanzlei sagte der Rheinischen Post, Ausreiseverbote seien ineffektiv, wenn sie nicht überwacht werden könnten. Der Bund habe noch keine präzisen Vorstellungen vorgelegt, wie die Kontrolle aussehen könne. Hier bedürfe es einer Klärung.
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