Wie bekommen wir bessere Ärzte?
Jetzt werden in NRW wieder munter die Zentralen Abiturprüfungen geschrieben, Tausende von Schülern trauen sich in große Klassenzimmer mit dem Bewusstsein: ein letztes Mal noch. Auch wenn wir heute unseren Schwestern, Töchter oder Enkelinnen Mut machen, wissen alle das Unausgesprochene – diese Abiturprüfungen entscheiden oft über das Wohlergehen in den künftigen Jahren.
Wieso tun sie das? Mit der aktuellen Flut an G8-Jahrgängen ist der Numerus clausus an den allermeisten Universitäten hoch geschnellt. Die Abiturnote wird an summativen (Klausuren) und formativen (mündliche Noten) Prüfungen bemessen, denn nur so kann die Konstanz in Leistungen garantiert werden. Unser Schulsystem tut gut daran, formatives Feedback aufrecht zu erhalten, anders könnten wir pädagogische Maßnahmen nicht sinnvoll implementieren.
Nun spulen wir einige Monate vor, unsere Schulabsolventen bewerben sich auf die Studienplätze, beispielsweise in Medizin. Spätestens hier verlieren wir eine nicht zu verschweigende Zahl an potenziell künftigen Ärzten. Es bewerben sich zwar viele Absolventen direkt nach ihrem Abitur, einige wenige jedoch leisten ein Freiwilliges Soziales Jahr, bereisen die Welt und leben neue Erfahrungen "bis die Zeit anhält".
Dieses unebene Bild an Studieninteressierten verleiht oft zu der Fragestellung: Wie bekommen wir bessere Ärzte?
In dieser Fragestellung werden unsere Schulabsolventen als Rohmaterial angesehen, welche abgefangen und in ein sechsjähriges Studium geschleust werden sollen.
Ich möchte mit diesem Blog-Eintrag eben dieser Frage den Nimbus rauben. Wir können nicht bemessen, welche Vita zu einem besseren Arzt führt, noch können wir diese als Anfangspunkt für weitere Debatten festlegen. Angenommen unsere Schulabsolventen hatten die Chance, über zwei Jahre hinweg konstanten Lernerfolg zu zeigen, wie bemisst man die Zeit zwischen Schule und Studium? Wie bemisst man soziales Engagement während der Schulzeit?
Ich behaupte, dass wir in unserer Debatte derzeit das Pferd von hinten aufzäumen. Das Problem fällt uns erst auf, wenn „gute Schüler“ nicht zum Studium zugelassen werden. Wir sollten jedoch deutlich früher an der Feinregelung ansetzen.
Wir haben vergessen, dass Medizin letzten Endes nur eine angewandte Naturwissenschaft ist. Ganz egal wie die Zukunft aussehen mag, das Studium führt ultimativ zu einer ärztlichen Approbation. Es ist der Ärztin oder dem Arzt dann vorbehalten zu entscheiden, ob er in die biomedizinische Forschung oder Landarztpraxis gehen möchte. Ich möchte auch behaupten, dass in beider dieser Extrema soziales Interesse gefordert ist. Unsere Oberärzte und Chefärzte sind oft das beste Beispiel dafür, dass erst eine Mischung aus sozialem Interesse und wissenschaftlicher Hingabe zu einer Leitungs- und Entscheidungsfunktion führt.
Nun verfehlen wir unsere Schüler in dem Gewissen, dass sie nur über eine Mischung aus summativen und formativen Leistungsprüfungen ihre Zulassung zum Studium erreichen. Unsere Schüler werden auf Erfolg getrimmt, wenngleich sie den Sinnwert davon nicht vollständig begriffen haben. Die einzige Art um soziales Interesse zu zeigen ist über das formative Feedback (mündliche Noten), welche von viel zu vielen Lehrern als bloßes Vorlesen von Hausaufgaben oder dem Lösen von Gleichungen an der Tafel missverstanden wird.
Es führt letztlich dazu, dass wir Studierende selektieren, die lieber ihre Zeit in akademischen Erfolg investieren, statt ihrem persönlichen Entwicklung zu folgen. Es gibt immer weniger soziales Engagement auch während des Studiums, die Ehrenämter bleiben leer und unsere künftige Ärzte werden indirekt einer Erfahrung beraubt, die sie hätte leben lassen können "bis die Zeit anhält“.
Vielleicht sollten wir eine andere Frage stellen: Wie fördern wir bessere Ärzte?
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