Medizin

Wie das Adipositas-Gen FTO den Appetit steigert

  • Mittwoch, 17. Juli 2013
Uploaded: 17.07.2013 09:30:17 by mis
dpa

London – Erhöhte Werte des Hungerhormons Ghrelin erklären, warum homozygote Träger des Adipositas-Gens FTO mehr Nahrung zu sich nehmen als notwendig ist und deshalb zu Übergewicht neigen. Dies geht aus Studienbefunden im Journal of Clinical Investigation (2013; doi:10.1172/JCI44403) hervor.

Einer von sieben Mitteleuropäern ist homozygot auf eine Punktmutation im FTO-Gen, die in genomweiten Assoziationsstudien als Risikomarker „rs9939609“ für eine Adipositas aufgefallen war. Menschen mit dem Allel AA in beiden Chromosomen sind zu 70 Prozent häufiger fettleibig als andere Menschen. Das FTO ist damit weit davon entfernt, die derzeitige Adipositas-Epidemie zu erklären, es ist aber das derzeit bedeutendste Adipo­sitas-Gen.

Ein Team um Rachel Batterham vom University College London hat jetzt heraus­gefunden, dass homozygote Träger (Allel AA) höhere Plasmawerte des Hormons Ghrelin haben. Dieses „Hungerhormon“, das unter anderem in der Magenschleimhaut produziert wird, steigert beim Menschen den Appetit und damit meistens auch die Nahrungs­aufnahme. Nach den Mahlzeiten fallen die Ghrelin-Werte im Plasma, bei Trägern des modifizierten FTO-Gen fällt dieser Abfall, wie Batterham zeigen kann, jedoch geringer aus als bei anderen Menschen. Sie sind deshalb nach dem Essen früher wieder hungrig.

Das Hungergefühl entsteht im Gehirn, was die Forscher durch Untersuchungen mit der funktionellen Kernspintomographie zeigen können, die die Hirnaktivität anhand der gesteigerten Durchblutung und Sauerstoffversorgung misst. Während der Untersuchung wurden den Probanden Bilder von Nahrungsmitteln mit hohem und niedrigem Kalorien­gehalt gezeigt.

Die Träger des Allels AA fanden die Nahrungsmittel mit dem hohen Kaloriengehalt besonders appetitlich, und in ihrem Gehirn sprangen zum einen die Zentren des Hypothalamus an, die den Appetit steuern. Zum anderen war die Aktivität im Beloh­nungssystem erhöht, das die Nahrung zur Droge erklärt und die Nahrungsaufnahme erzwingt. Diese Reaktionen korrelierten erneut mit den Ghrelin-Konzentrationen im Plasma.

Schließlich kann Batterham zeigen, dass das FTO-Gen direkt in die Produktion von Ghrelin eingreift. Bei Mäusen konnte durch die gesteigerte Expression des FTO-Gens die Ghrelin-Konzentration gesteigert werden, und in den Blutzellen von Trägern des mutierten FTO-Allels fanden die Forscher Hinweise auf eine gesteigerte Ablesung des Ghrelin-Gens.

Die Studie schafft erstmals eine Verbindung zwischen FTO und dem 1996 entdeckten Hungerhormon Ghrelin. Sie lässt hoffen, dass die inzwischen entwickelten Ghrelin-Antagonisten in den klinischen Studien den Hunger von Übergewichtigen dämpfen und damit einen Beitrag zur Gewichtsabnahme leisten können.

rme

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