Wie Depressionen das Gehirn schrumpfen lassen
New Haven – Eine Depression und im Tiermodell auch chronischer Stress gehen mit der vermehrten Bildung eines Steuergens einher, das im Frontalhirn die Bildung von Synapsen hemmt. Die Studie in Nature Medicine (2012; doi: 10.1038/nm.2886) erklärt frühere Befunde, wonach Depressionen zu einer „Schrumpfung“ bestimmter Hirnareale führt.
Werden Ratten in ihrem natürlichen Bewegungsdrang gehemmt, erkranken sie irgendwann an einer schweren Depression. Dies hinterlässt Spuren im Gehirn der Tiere, die auch bei Patienten mit Major-Depression nachweisbar sind. Im präfrontalen Cortex, wo die Vernunft ihren Sitz hat – Hirnforscher sprechen von exekutiven Funktionen – kommt es zu einer Rückbildung: Die Hirnzellen sind verkleinert, die Zahl der Nervenverbindungen geht zurück. In bildgebenden Verfahren „schrumpft“ dieser Abschnitt des Gehirns. Bei Menschen mit einer schweren Major-Depression haben Hirnforscher einen Rückgang des Volumens im dorsolateralen präfrontalen Cortex nachgewiesen.
Das Team um Ronald Duman von der Yale Universität in New Haven im US-Staat Connecticut hat jetzt das Gehirn von Verstorbenen untersucht, die an einer Major-Depression litten. Mittels In-situ-Hybridisierung können die Forscher zeigen, dass die Hirnzellen fünf Gene vermindert abrufen, die Funktion und Struktur von Hirnsynapsen beeinflussen.
Alle fünf Gene werden von einem einzelnen Transkriptionsfaktor mit der Bezeichnung GATA1 kontrolliert. In einem Tierversucht wurde die Aktivität dieses Steuergens künstlich gesteigert. Die Tiere entwickelten eine schwere Depression. GATA1 könnte demnach eine wichtige Rolle in der Pathogenese der Depression spielen.
Auf die Medizin könnten sich die Ergebnisse in zwei Gebieten auswirken. Zum einen werden die Forscher jetzt untersuchen, ob Varianten von GATA1 mit der Entwicklung einer Depression assoziiert sind. Zum anderen bietet sich GATA1 als Ansatzpunkt für Medikamente an: Wirkstoffe, die GATA1 hemmen, sollten eine Depression lindern können. Die Wirksamkeit solcher noch zu findenden Wirkstoffe würde dann auch die Bedeutung des Steuerenzyms für die Entwicklung der Depression belegen.
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