Wie der soziale Aufstieg das Immunsystem stärkt
Wer auf der sozialen Leiter ganz unten steht, hat es im Leben nicht nur schwerer, er ist auch häufiger krank und muss früher sterben. Epidemiologische Studien zeigen, dass die sozioökonomische Schichtzugehörigkeit den Gesundheitszustand und die Lebenserwartung deutlich beeinflussen. Depression und chronischen Erkrankungen treten bei Sozialhilfeempfängern häufiger auf in oberen Gehaltsschichten. Die Lebenserwartung kann bis zu einer Dekade niedriger sein. Bisher wurde dafür vor allem ein ungesünderer Lebensstil verantwortlich gemacht. In der Unterschicht wird mehr geraucht, weniger Sport getrieben und vor allem ungesünder gegessen.
Das könnte jedoch nicht die gesamte Erklärung sein, wie Experimente zeigen, die ein Team um Noah Snyder-Mackler von der Duke Universität in Durham/North Carolina an Rhesus-Affen durchgeführt hat. Bei den Tieren gibt es eine soziale Hackordnung. Sie richtet sich bei weiblichen Tieren häufig danach, in welcher Reihenfolge sie in eine Gruppe eingetreten sind. Wer zuerst kommt, hat gute Chancen auf einen hohen sozialen Rang, der zum Mobbing gegenüber später hinzugekommenen Tieren berechtigt.
Am Ende der Versuchsreihe hat Snyder-Mackler das Immunsystem der Tiere untersucht. Hochrangige Tiere verfügten über die robustere Immunabwehr. Bestimmte T-Zellen und insbesondere eine höhere Zahl von natürlichen Killerzellen ermöglichten es ihnen schneller auf virale Infektionen zu reagieren. Der Einfluss war deutlich: Von 9.000 Genen zeigten 1.600 eine veränderte Aktivität. Bei einer Exposition mit Lipopolysacchariden (LPS), die eine bakterielle Infektion simulieren, kam es bei den sozial unten stehenden Tieren zu einer schwächeren Antwort.
In einer zweiten Versuchsreihe stellte Snyder-Mackler die soziale Hierarchie auf den Kopf. Tiere, die im ersten Versuch ganz unten waren, weil sie zuletzt zur Gruppe gestoßen waren, wurden jetzt als erste eingeführt. Sie erkannten schnell ihre soziale Chance und dominierten häufig die Tiere, die im ersten Versuch über ihnen gestanden hatten. Diese neue Hierarchie machte sich sofort im Immunsystem bemerkbar. Der soziale Aufstieg stärkte die Abwehrkräfte der Tiere.
Snyder-Mackler führt die Unterschiede zum einen auf den Stress zurück, den die Tiere am unteren Ende der Hierarchie durch die Attacken der anderen Tiere ausgesetzt waren. Aber auch die Zuneigung und vielleicht sogar die Gesundheitsvorsorge könnten eine Rolle spielen. Bei Rhesus-Affen müssen die unten stehenden Tiere das Fell der führenden Tiere pflegen. Das dürfte sich für die Leittiere nicht nur gut anfühlen. Bei der Fellpflege werden Parasiten entfernt, die als Überträger von Krankheiten infrage kommen.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: