Wie die Verdrahtung der Hirnzellen sich ausbildet

Karlsruhe – Neue Erkenntnisse zum Navigationssystem, das die Axone der Hirnzellen beim Wachstum leitet, haben jetzt Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) gewonnen. Sie berichten darüber im Fachmagazin eLife (2017; doi: 10.7554/eLife.25533).
Das menschliche Gehirn besteht aus etwa hundert Milliarden Nervenzellen. Informationen zwischen ihnen werden über ein komplexes Netzwerk aus Nervenfasern übermittelt. Dessen Länge im Gehirn beträgt etwa 500.000 Kilometer, mehr als die Entfernung zwischen Erde und Mond. Damit es beim Verdrahten der Verbindungen keine Verwicklungen gibt, steuert ein Navigationssystem das Wachstum der Nervenfasern.
Den Axonen dienen laut den Karlruher Wissenschaftlern Sensormoleküle an ihren Enden als Antennen. Mit ihnen empfangen sie Lenkungssignale in Gestalt von Proteinen, die auf dem Weg und im Zielgebiet positioniert sind, aber auch auf anderen Fasern, die den Weg kreuzen.
Im Ziel angekommen bilden die Axone Verknüpfungen mit anderen Nervenzellen, die Synapsen. Der Bauplan entstehe dabei nach einem genetischen Bauplan. „Durch Lernen wird nur eine Minderheit der Synapsen unseres Gehirns verdrahtet“, erläuterte Franco Weth von der Abteilung Zell- und Neurobiologie des Zoologischen Instituts des KIT.
Während des Wachstums werden die Faserantennen aber offenbar zunehmend unempfindlicher für die eingehenden Signale ihres Protein-Navigationssystems. „Dabei müssen die Informationen doch präzise ausgelesen werden, sonst finden die Fasern ihre Zieladresse nicht“, wunderten sich Weth und seine Forscherkollegen.
Die Lösung: „Die Antennen werden zwar tatsächlich für alle Typen der sie lenkenden Signal unempfänglicher, aber sie bewahren dabei strikt das Verhältnis der Signalstärken zueinander“, so Weth. Der Zielort sei also letztlich nicht durch die Stärke eines Signals, sondern durch ein bestimmtes Verhältnis mehrerer Signale gekennzeichnet. Durch diese raffinierte Kopplung der Antennenempfindlichkeiten meistere das axonale Navigationssystem den Konflikt zwischen Verlässlichkeit und Veränderlichkeit der Signale.
Warum dieser Abstumpfungsprozess bei der Lenkung der Axone stattfindet, wissen die Forscher noch nicht. „Wir vermuten, es handelt sich letztlich um eine energiesparende Strategie, denn Signalübertragung verbraucht Energie“, erläuterte Weth.
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