Wie unser Gehirn Handbewegungen steuert

Göttingen – Das Fangen eines Balles, einen Stift präzise zwischen Daumen und Zeigefinger über das Papier zu dirigieren oder eine Türklinke zu bedienen: Wie das menschliche Gehirn diese unterschiedlichen Handgriffe steuert, haben die Neurowissenschaftler Stefan Schaffelhofer und Hansjörg Scherberger vom Deutschen Primatenzentrum – Leibniz-Institut für Primatenforschung untersucht. Ihre Arbeit ist in der Fachzeitschrift eLife erschienen (2016; doi: 10.7554/eLife.15278) und soll dazu beitragen, effektivere Neuroprothesen zu entwickeln. Diese sollen gelähmten Patienten künftig helfen, ihre Handfunktionen wiederzuerlangen.
In Studien mit Rhesusaffen haben die Wissenschaftler ermittelt, dass drei Hirnareale namens „AIP“, „F5“ und „M1“ für Planung und Ausführung von Handbewegungen verantwortlich sind und dabei unterschiedliche Aufgaben im neuronalen Netzwerk erfüllen.
Die drei Hirnareale AIP, F5 und M1 liegen in der Großhirnrinde und bilden zusammen ein neuronales Netzwerk, das die Übertragung visueller Eigenschaften eines Gegenstandes in entsprechende Bewegungsbefehle steuert. Wie diese „visuomotorische Transformation“ im Detail abläuft, war laut der Arbeitsgruppe bislang unklar.
Dafür wurden zwei Rhesusaffen darauf trainiert, 50 unterschiedliche Objekte wiederholt zu greifen. Gleichzeitig wurde die Aktivität ihrer Nervenzellen in den drei wichtigen Hirnarealen mit sogenannten Mikroelektrodenarrays gemessen. Um die angewandten Grifftypen mit den neuronalen Signalen vergleichen zu können, trugen die Affen einen elektromagnetischen Datenhandschuh, der alle Finger- und Handbewegungen aufzeichnete.
Die Forscher beleuchteten dabei das Objekt vor Beginn der Greifbewegung kurz, so dass der Rhesusaffe es sehen konnte. Die anschließende Greifbewegung fand mit kurzer zeitlicher Verzögerung im Dunkeln statt. So konnten die Wissenschaftler die Reaktionen der Nervenzellen auf die visuellen Reize von den rein motorischen Signalen getrennt untersuchen.
Die Ergebnisse zeigten, dass das Areal AIP hauptsächlich die Verarbeitung visueller Objekteigenschaften übernimmt. „Die Nervenzellen reagierten vor allem auf die dreidimensionale Form der verschiedenen Objekte“, erläutert Schaffelhofer. Durch die unterschiedliche Aktivität der Nervenzellen konnten die Wissenschaftler sehr präzise unterscheiden, ob die Affen eine Kugel, einen Quader oder einen Zylinder gesehen hatten. Sogar abstrakte Objektformen konnten sie anhand der Zellaktivität identifizieren.
Im Gegensatz zu AIP wurden in den Arealen F5 und M1 nicht die Objektgeometrien, sondern die entsprechenden Griffe abgebildet, die verwendet wurden, um die Objekte zu greifen. Die Informationen der Neurone zeigten hierbei große Ähnlichkeit mit den mittels Datenhandschuh aufgezeichneten Handbewegungen. „Mit unserer Studie konnten wir zeigen, wo und wie visuelle Eigenschaften von Objekten in entsprechende Bewegungsbefehle umgewandelt werden, um diese präzise zu greifen“, so Schaffelhofer.
Bei querschnittsgelähmten Patienten funktioniert die Verbindung zwischen Gehirn und Gliedmaßen bekanntlich nicht mehr. Diese Aufgabe könnten künftig sogenannte neuronale Schnittstellen übernehmen. „Sie können die motorischen Signale im Gehirn auslesen und damit die Prothesen steuern. Es ist deshalb von entscheidender Bedeutung zu wissen, wie und wo unser Gehirn Greifbewegungen steuert, um diese Schnittstellen richtig programmieren zu können“, erläuterte Hansjörg Scherberger, Leiter der Abteilung Neurobiologie am DPZ.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: