Medizin

Wohnungslose Menschen: Hürden beim Zugang zur medizinischen Regelversorgung abbauen

  • Freitag, 6. Oktober 2017
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Köln – In Deutschland leiden wohnungslose Menschen im Vergleich zur Allgemein­bevölkerung sehr viel häufiger unter behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankungen. Zudem kommt es bei ihnen deutlich öfter zu Erkrankungen des Atmungs- und Kreislaufsystems, zu Verletzungen und Vergiftungen sowie zu Infektionen und parasitären Erkrankungen.

Der Gesundheitszustand wohnungsloser Menschen in Deutschland ist Schwerpunkt­thema in der aktuellen Ausgabe des Deutschen Ärzteblattes (Dtsch Arztebl Int 2017; 114: 663-79). Stefanie Schreiter und Koautoren werten in ihrer systematischen Übersichtsarbeit die aktuelle Studienlage zu den Prävalenzen psychischer Erkrankungen bei wohnungslosen Menschen aus.

Hierbei zeigt sich, dass substanzbezogene Störungen bei rund 60 Prozent der in den Studien erfassten Wohnungslosen zu verzeichnen sind; die Alkoholabhängigkeit steht dabei mit rund 55 Prozent sehr weit im Vordergrund. Auch bei anderen psychischen Erkrankungen, etwa bei Angststörungen mit rund 18 Prozent oder bei affektiven Störungen mit rund 15 Prozent, liegen die bei wohnungslosen Menschen erhobenen Werte deutlich über denen der Allgemeinbevölkerung. Es ist davon auszugehen, dass psychische Erkrankungen oder schädlicher Substanzkonsum ganz entscheidende Risikofaktoren für die Entstehung von Wohnungslosigkeit sind.

Medizinische Hilfe für wohnungslose Menschen muss dem Umstand Rechnung tragen, dass diese das Regelversorgungssystem nicht in Anspruch nehmen. Dies wird auch in der Übersichtsarbeit von Hanna Kaduszkiewicz und Koautoren deutlich, die sich mit der medizinischen Versorgung von Wohnungslosen befasst. Häufig ist ein unklarer Krankenversicherungsstatus die entscheidende Barriere für das Aufsuchen einer regulären Arztpraxis. Genauso können aber auch Angst oder Scham diese Patienten davon abhalten, sich in die ärztliche Obhut zu begeben.

Wichtig seien also alternative, vor allem aufsuchende Versorgungsangebote, betonen die Autoren. Idealerweise sollten sich diese Angebote nicht nur auf medizinische Hilfe bei akuten Erkrankungen beschränken, sondern beispielsweise auch auf eine länger­fristige psychiatrische Versorgung ausgerichtet sein.

In einem einführenden Editorial betont Frank Johannes Hensel vom Diözesan-Caritas­verband für das Erzbistum Köln, dass die Versorgung von wohnungslosen Menschen mit passendem Wohnraum der Dreh- und Angelpunkt für die Ermöglichung eines gesünderen Lebens sei. Es gelte, Wohnungspolitik als Daseinsvorsorge in engem Zusammenhang mit der Gesundheits- und Sozialpolitik zu verstehen. Durch die Sicherung von Wohnraum könnten existenzielle Gesundheitsrisiken vermieden werden, die mit der Wohnungslosigkeit einhergingen.

TG

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