Ärzteschaft

Zahl der Meldungen über rassistische Diskriminierung gestiegen

  • Dienstag, 25. April 2023
/Charlize D, peopleimages.com, stock.adobe.com
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Wiesbaden – Nach der Namenserweiterung des Menschenrechtsbeauftragten der Landesärztekammer Hessen (LÄKH) zum Rassismusbeauftragten sind die gemeldeten Fälle von Rassismus rasant nach oben gegangen. Das berichtete der Menschenrechts-, Rassismus- und Diskriminierungsbeauftragte der LÄKH, Ernst Girth, gestern.

In seiner Arbeit als Menschenrechtsbeauftragter habe er zwei Fälle gehabt, die man als rassistisch habe anse­hen können, erklärte Girth bei einer Pressekonferenz der jungen Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (JUNGE DGIM) anlässlich des 129. Kongresses der DGIM.

Seit 2020 – seitdem trägt Girth auch die Bezeichnung „Rassismus- und Diskriminierungsbeauftragter“ – sind es mehr geworden. „Jetzt hatte ich in zwei Jahren 40, inzwischen 50 Fälle“, sagte er. Bereits vor der Umbenennung habe sich der Internist für Meldungen zum Thema Rassismus zuständig gefühlt.

Girth gab jedoch zu bedenken, dass die Zahl der gemeldeten Fälle gemessen an den Arztbesuchen in Hessen insgesamt sehr gering ist. Er geht jedoch von einer hohen Dunkelziffer aus. Nachdem die Fälle nach der Be­nennung der Stelle stark angestiegen seien, seien die Zahlen konstant hoch.

Betroffene Patientinnen und Patienten könnten sich an die LÄKH oder direkt bei Girth per E-Mail melden, er­klärte er. Dabei kümmert er sich eigenen Aussagen zufolge nur um die namentlichen Fälle. Anonyme Meldun­gen übernehme er nicht, da das ein Fass ohne Boden sei, erklärte er.

Girth leite die Beschwerde an den betroffenen Arzt beziehungsweise die betroffene Ärztin zur Stellungnahme weiter. Dann werde ausgehandelt, ob der Vorfall rassistisch gewesen sei. Ziel sei dabei in der Regel eine per­sönliche Entschuldigung. „Allein, dass die Leute merken, dass ihnen geglaubt wird, ihnen zugehört und in vielen Fällen recht gegeben wird“, sei ein „Geschenk“ und dementsprechend dankbar seien die Rückmeldungen.

„Die Kollegen sind zu 80 bis 90 Prozent kooperativ und selbstkritisch“, sagte Girth. Es gebe jedoch einen harten Kern, die sagten, dass die Thematik sie nichts anginge.

Wenn ein Arzt nicht kooperiert, besteht Girth zufolge die Möglichkeit das an die LÄKH zurückzuvermitteln. Das Präsidium entscheide dann ob Ermittlungen aufgenommen würden. „Bis hin zum Approbationsentzug gibt es alle Möglichkeiten“, zu welchem Ergebnis der Ermittlungen kämen. Girth selbst erfahre das Ergebnis allerdings nicht.

Erlernung von rassistischen Vorurteilen

Bereits im Medizinstudium ist die Stereotypisierung rassifizierter Menschen ein Problem. Das zeigt sich in ers­ten Ergebnissen einer explorativen Untersuchung zu Rassismus im Medizinstudium als Teil des diesjährigen Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitors (NaDiRa), die Hans Vogt vom Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) auf dem DGIM Kongress vorstellte.

„Bestimmte rassifizierte Gruppen fallen aus dem Raster gängiger Lehrmodelle", erklärte Vogt. Die Ergebnisse beruhten unter anderem auf einer Stichprobe von Lehrmaterialien, Examensfragen und Alltagspraktiken in der ärztlichen Ausbildung. Demnach seien rassifizierte Menschen entweder unter- oder nicht repräsentiert. Wenn die Personen doch repräsentiert seien, so oftmals in „stereotypisierenden bis hin zu exotisierenden Zuschrei­bungsmustern“, so Vogt.

Bisher scheint das Erlernen von rassismuskritischem Denken im Medizinstudium eher die Ausnahme als die Regel zu sein. Das wird auch von der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd) kri­ti­siert, die vergangenes Jahr forderte, dass Rassismuskritik im Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin 2.0 (NKLM) konkreter benannt werden soll.

Anahita Fathi, Sprecherin der Jungen DGIM und Fachärztin für Innere Medizin am Universitätsklinikum Ham­burg-Eppendorf (UKE), berichtete, dass es dort bereits einen Kurs für Medizinstudierende zum Thema „uncon­scious Bias“ gebe, in dem in Randbereichen auch Rassismus abgebildet sei.

Auch für Führungskräfte am UKE sei vorgeschrieben, dass sie sich mit dem Thema auseinandersetzten. „Ich denke selbst an der Klinik an der überdurchschnittlich viel darauf geachtet wird es mit einzubeziehen, ist es noch ganz am Anfang“, gab Fathi zu bedenken.

Sie betonte zudem, dass der Begriff Menschen mit Migrationshintergrund unpassend sei. „Es geht eher um Personen, die als anders wahrgenommen werden und nicht um den Französischen Arzt oder die Schweizer Ärztin.“

mim

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