Medizin

Zahl der vermeidbaren Erblindungen nimmt weltweit zu

  • Dienstag, 17. Oktober 2017

Cambridge - Weltweit sind 36 Millionen Menschen erblindet, weitere 217 Millionen Menschen leiden unter schweren Sehstörungen. Mehr als die Hälfte der Erblindungen und mehr als zwei Drittel aller schweren Sehstörungen sind dabei auf Katarakte und nicht korrigierte Fehlsichtigkeiten zurückzuführen, für die es effektive Therapie gibt. Dies zeigt eine Studie in Lancet Global Health (2017; doi: 10.1016/S2214-109X(17)30393-5), die anlässlich des World Sight Day veröffentlicht wurde.

Die Implantation einer Kunstlinse kann einen grauen Star (Katarakt) kurieren, die Verordnung einer Brille kann Sehstörungen aufgrund einer Kurz- oder Weitsichtigkeit verhindern. Was in reicheren Ländern selbstverständlich ist, steht vielen Menschen in ärmeren Ländern nicht zur Verfügung. Die Zahl der Menschen, die infolge einer Katarakt erblindet sind, ist im Zeitraum zwischen 1990 und 2015 sogar von 10,9 auf 12,6 Millionen angestiegen. Schwere Sehstörungen aufgrund des grauen Stars haben von 39,6 auf 52,6 Millionen zugenommen. Auch bei den unkorrigierten Refraktionsfehlern kam es zu einem Anstieg der Erblindungen von 6,2 auf 7,4 Millionen und der schweren Sehstörungen von 84,8 auf 116,3 Millionen.

Die Zahlen stammen aus der jüngsten Auswertung der Global Vision Database. Das Team um Rupert Bourne von der Anglia Ruskin University in Cambridge konnte die Datenbasis gegenüber seiner früheren Untersuchung (Lancet Global Health 2013; 1: e339-49) auf 288 Studien mit fast 4 Millionen Teilnehmern vergrößern. Damit sind zwar nicht alle Lücken geschlossen: Nur wenige Länder erfassen Sehstörungen in allen Altersgruppen und aus einigen Weltregionen liegen kaum Daten zu Sehstörungen vor. Auch die Definition von Sehstörungen kann stark variieren.

Die Kernaussage dürfte jedoch zutreffen. Sie lautet, dass vier von fünf Erblindungen oder schweren Sehstörungen vermeidbar wären, wenn alle Patienten mit Katarakt, unkorrigierter Fehlsichtigkeit, Trachom (einer in ärmeren Ländern verbreiteten Chlamydien-Infektion der Hornhaut), Glaukom, diabetischer Retinopathie und Hornhauttrübung konsequent behandelt würden. 

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) strebt dies seit längerem an. Bis 2019 soll die Zahl der Sehverluste durch Katarakt und unkorrigierte Refraktionsfehler um 25 Prozent gesenkt werden. Ruskin glaubt nicht, dass es dazu kommen wird. Die Projektionen seiner Zahlen sprechen eher für eine weitere Zunahme der schweren Sehstörungen durch Refraktionsfehler oder Katarakt. Dies ist allerdings vor allem Folge des starken Bevölkerungswachstums und der zunehmenden Lebenserwartung. Die altersstandardisierte Prävalenz von Erblindungen und schweren Sehstörungen ist seit 1990 von 4,6 Prozent auf 3,4 Prozent gesunken.

Die Ursachen für schwere Sehstörungen und Erblindungen variieren international stark. Ein Trachom ist in reicheren Ländern völlig unbekannt, Katarakt und Refraktionsfehler selten (sie haben aber in Westeuropa immerhin einen Anteil von zusammen 33 Prozent). Dagegen liegt der Anteil von Glaukom (13,5 Prozent in Westeuropa gegenüber 8,5 Prozent weltweit), diabetischer Retinopathie (3,3 versus 1,1 Prozent) und vor allem der altersbedingten Makuladegeneration (15,4 versus 6,0) über dem globalen Durchschnitt, was in erster Linie auf die gestiegene Lebenserwartung zurückzuführen sein dürfte.

rme

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