Zikavirus: ECDC sieht geringes bis mäßiges Ausbreitungsrisiko in Europa

Stockholm – Die europäischen Behörden bereiten sich auf eine mögliche Ausbreitung des Zikavirus in Europa vor. Die Krankheitserreger könnten über Schiffe, Flugzeuge oder im Körper von Touristen oder anderen Reisenden Europa erreichen.
In Lateinamerika und der Karibik ist es in den ersten 16 Wochen des Jahres zu 120.161 wahrscheinlichen Infektionen mit dem Zikavirus gekommen. Die höchste Inzidenz wird aus den brasilianischen Staaten Mato Grosso (532,6 Fälle auf 100.000 Einwohner, Tocantins (238,4/100.000), Bahia (227/100.000) und Rio de Janeiro (195,2/100.000) gemeldet. In Rio de Janeiro wurden innerhalb von vier Wochen 7.000 Erkrankungsfälle bekannt. Wenn diese Entwicklung anhält, dürften die olympischen Sommerspiele vom 5. bis 21. August (und die anschließenden Paralympics) den Export der Viren in andere Erdteile fördern.
Die Schätzungen des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) in Stockholm fallen jedoch zurückhaltend aus. Die Behörde erwartet für dieses Jahr zwischen 508 and 1.778 Zikavirus-Importe aus Brasilien, darunter 161 bis 355 symptomatische Erkrankungen. Dies ist eine recht optimistische Schätzung, da laut dem jüngsten Bericht der EU-Behörde bis zum 19. Mai dieses Jahres bereits 607 importierte Zikavirus-Infektionen in 18 EU/EWR-Ländern diagnostiziert wurden. Am häufigsten wurde die Erkrankung aus Frankreich (317 Fälle) und Spanien (121 Fälle) gemeldet. Unter den Infektionen waren 34 schwangere Frauen. Zumindest in einem Fall kam es zu einer Fetopathie: Eine Frau aus Finnland ließ die Schwangerschaft vorzeitig beenden. Lebende Kinder mit Zika-Mikrozephalie wurden in Europa bisher nicht geboren.
Auch eine autochthone Ausbreitung wurde bisher nicht beobachtet, obwohl die Endemie-Regionen sich langsam Richtung Europa ausbreiten. Erst vor wenigen Tagen teilte die WHO-Region Afrika mit, dass das Virus inzwischen auf den kapverdischen Inseln zirkuliert. Dort wurden bis zum 8. Mai 7.557 Verdachtsfälle gemeldet. Von den kapverdischen Inseln bis nach Madeira, einer zu Portugal gehörenden Insel, sind es nur wenige Flugstunden. Auf Madeira ist die Gelbfieber-Mücke Aedes aegypti verbreitet, die das Zika-Virus überträgt. Das Insekt ist laut ECDC auch an der Schwarzmeerküste von Georgien und Russland heimisch. Diese Regionen sind deshalb am meisten von einer Einschleppung des Virus bedroht.
Ein zweiter potenzieller Vektor ist die asiatische Tigermücke Aedes albopictus. Sie ist in weiten Teilen des Mittelmeerbeckens endemisch. Da es 2006 bis 2007 in Italien kurzzeitig zu einer autochthonen Ausbreitung des Chikungunya-Fiebers gekommen war, das ebenfalls über Aedes albopictus übertragen wird, ist eine Ausbreitung von Zika-Viren in Europa nicht auszuschließen.
Neben virämischen Touristen könnte das Virus auch über Insekten eingeschleppt werden, die in Flugzeugkabinen oder mit Schiffsladungen nach Europa gelangen. Eine lokale Ausbreitung in der Nähe von Flughäfen, wie dies für die Malaria aufgetreten ist, hält die ECDC für unwahrscheinlich.
Eine Arbeitsgruppe der WHO hat sich jüngst mit dem Thema beschäftigt und die Wirksamkeit von Insektiziden überprüft, die heute in Flugzeugen zum Einsatz kommen. SHIPSAN ACT, eine Initiative der Europäischen Kommission, hat Empfehlungen für die Schifffahrt herausgegeben. Frachtladungen sind ein nicht zu unterschätzendes Risiko: Schließlich werden rund 1.200 Seehäfen in Europa jährlich von 1,9 Millionen Frachtschiffen angelaufen.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: