Medizin

Zu viel Salz könnte Entstehung von Autoimmun­erkrankungen fördern

  • Donnerstag, 7. März 2013
/dpa
dpa

New Haven/Boston – Könnte der zunehmende Salzkonsum in westlichen Gesellschaften für die steigende Rate von Autoimmunerkrankungen verantwortlich sein? Zwei For­scherteams zeigen in Nature, dass Salz die Bildung von speziellen T-Hel­fer(TH)-Zellen fördert, die derzeit für die feindliche Attacke des Immunsystems mit­verantwortlich gemacht werden. In einem Mäusemodell der multiplen Sklerose kam es unter einer salzlastigen Diät frühzeitig zum Krankheitsausbruch. Ob die Befunde für die Patho­genese von Autoimmunerkrankungen beim Menschen von Bedeutung sind, muss allerdings offen bleiben.

Die vor einigen Jahren entdeckten TH17-Zellen gehören zu den ambivalenten Immun­zellen, die eigentlich den Körper vor den Angriffen von Bakterien und anderen Krank­heitserregern schützen sollen, die allerdings auch in der Lage sind, körpereigene Zellen zu attackieren. TH17-Zellen produzieren Interleukin-17, dessen Hemmung Autoimmun­erkrankungen lindert: Der erste IL-17-Antikörper Ixekizumab wurde bereits mit Erfolg bei der Psoriasis untersucht (NEJM 2012; 366: 1190-1199) und könnte demnächst als Medikament zugelassen werden.

Was genau TH17-Zellen und andere an der Pathogenese von Autoimmunzellen beteiligte Abwehrzellen dazu bringt, sich gegen den eigenen Körper zu wenden, ist unklar. Bislang vermuten die Forscher, dass Virusinfektionen die „Trigger“ für den Beginn der Erkran­kung sind. Andere Umweltfaktoren, etwa die mangelnde Vitamin-D-Bildung in der Haut in höheren geografischen Breiten, werden ebenfalls diskutiert. Aber auch Ernährungsgewohnheiten könnten die Krankheitsbereitschaft fördern.

Seit einiger Zeit fällt hier der Verdacht auf Kochsalz, dessen Konsum in westlichen Ländern stark angestiegen ist. So hatten Privatdozent Jens Titze von der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitarbeiter beobachtet, dass Kochsalz die Funktion der Makrophagen beeinflusst. Unabhängig davon hatten Markus Kleinewietfeld und David Hafler von der Yale Universität in New Haven herausgefunden, dass nach einer Mahlzeit in einem Fastfood-Restaurant, wo der Salzgehalt oft das Vielfache der empfohlenen Menge beträgt, die Zahl von aggressiven Immunzellen im Blut ansteigt.

In der aktuellen Studie in Nature (2013; doi: 10.1038/nature11868) konnte Hafler das Phänomen im Labor an Zellkulturen von Mäusen und Menschen nachstellen: Wurde den Zellmedien Kochsalz zugefügt, kam es nicht nur zu einem, wie die Forscher berichteten, dramatischen Anstieg der Th17-Zellzahl. Die Zellen setzten auch vermehrt die Zytokine frei, die die Autoimmunreaktion vorantreiben.

Diese vermehrte Aggressivität wurde schließlich auch bei Mäusen mit einer Experimen­tellen autoimmunen Enzephalomyelitis (EAE) bemerkt. Die EAE ist ein etabliertes Krank­heitsmodell der multiplen Sklerose. Wurde der Salzgehalt des Futters auf die heute bei Menschen in den Industrieländern übliche Menge gesteigert, erkrankten die Tiere früher und heftiger an einer EAE.

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt ein Team um Vijay Kuchroo von der Harvard Medical School in Boston. Die Forscher berichten in Nature (2013; doi: 10.1038/nature11984), dass die Wirkung von Kochsalz über das Enzym SGK1 vermittelt wird, das an der Regulierung des Salzhaushaltes in den Zellen beteiligt ist. Bei gentechnischen EAE-Mäusen ohne SGK1-Gen konnte die Erkrankung durch Kochsalz nicht ausgelöst werden.

Plausible Erklärung
Die beiden Studien liefern eine plausible Erklärung dafür, wie Kochsalz die Entstehung von Autoimmunerkrankungen fördern könnte. Welchen Einfluss der hohe Koch­salzkonsum in den Industrieländern tatsächlich auf die Häufigkeit von Autoimmun­erkrankungen hat, muss noch in epidemiologischen Studien geklärt werden.

Die Autoren zitieren weder Fall-Kontroll-Studien, die für die Patienten einen im Vergleich zu Gesunden erhöhten Kochsalzkonsum zeigen, noch scheint in prospektiven Beobach­tungsstudien nach einer Assoziation zwischen Kochsalzzufuhr und Erkrankungen gesucht worden zu sein. Sollten sich hier Hinweise finden, könnte über Studien nach­gedacht werden, in denen der Einfluss einer kochsalzarmen Diät an Personen mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko untersucht würde.

Solange diese Belege nicht vorliegen, dürfte die Empfehlung zu einer kochsalzarmen Diät sich vor allem auf die (allerdings nicht unumstrittene) präventive Wirkung gegen Hypertonien und Herz-Kreislauf-Erkrankungen stützen.

rme

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