Vom Arztdasein in Amerika

Zu wenig Geld für Medikamente

  • Montag, 17. November 2014

Kürzlich habe ich folgende Begebenheit in einer Apotheke erlebt: Eine mittelalte – dem Leser ist hierbei überlassen, ob er mittelalt als Anfang 30, Mitte 40 oder Ende 50 klassifiziert, denn diese subjektive Einschätzung sagt mehr über ihn selber aus, als dass sie für diesen Kurzbericht relevant ist – Frau in ärmlicher Kleidung, massiv übergewichtig, stand vor mir in der Schlange. Sie holte offensichtlich fünf Medikamente ab, wie ich aus ihrem Gespräch mit der Apothekerin entnehmen konnte.

Dabei hatte sie die staatlich bezahlte Krankenversicherung der Armen, also Medicaid, als Versicherungsschutz inne, wie ihre laute Stimme mir und allen anderen im Raum mitteilte. Diese bezahlt dem Patienten den Großteil seiner Medikamente, aber je nach Einkommen muss man einige Cents oder Dollar selbst beisteuern. Das ist bekannt und auf jeder Internetseite und in jeder Broschüre nachzulesen.

Nun holte sie sich also dem Gespräch zufolge ihre Medikamente für die nächsten drei Monate ab, wohl für ihren Diabetes und Hypertonus, obwohl ich das nicht mit völliger Sicherheit aus dem zwar lauten, aber inhaltlich nicht immer klaren Gespräch entnehmen konnte. Nebenbei wurde am Mobiltelefon mit einer Bekannten gesprochen. Ich stand geduldig hinter diesen beiden.

Die Apothekerin wollte die Medikamente der Patientin geben und bat vorher um die $3,45 Zuzahlung, die insgesamt für alle fünf Präparate zu entrichten war. Hieraufhin entbrannte ein etwas heftiger und längerer Streit: Was die Apothekerin wohl dächte, ob sie denn nach Geld aussehe? Wieso der Staat und die Apotheke sie betrügen würde – man hätte ihr als Patientin zugesichert, dass sie keinen müden Cent zuzahlen müsse und nun würde doch etwas verlangt? Das sie, die so krank sei, nicht einfach ihre Medikamente bekommen würde? Woher sie als mittellose Frau das Geld nehmen solle?

Am Ende einigte man sich auf einen Kompromiss – die Patientin gab das Geld, das sie bei sich trug. Also das, was sie in der Hand hielt, da sie betonte, dass sie in ihrer Handtasche kein weiteres hätte, daher auch nicht nachzuschauen brauche. Sie zählt der Apothekerin $2,20 vor und erhielt ihre Medikamente. Die Patientin ging mit ihren Medikamententüten hinaus, während sie sich am Mobiltelefon weiter über den Egoismus der Gesellschaft und Mangel an Rücksicht beschwerte.

Daraufhin war ich an der Reihe, erhielt meine Kortisonsalbe, bezahlte trotz einer sehr guten Krankenversicherung $5 Zuzahlung und ging ebenfalls hinaus – mir ging durch den Kopf, dass ich letzlich durch meine Steuern, aber auch durch meine höhere Zuzahlung für den Restbetrag der Patientin indirekt mitgehaftet hatte, ja, für den Großteil ihrer Medikamentenkosten. So ganz ungerecht und egoistisch ist die Gesellschaft dann wohl auch nicht, und die USA nicht so asozial wie immer gesagt wird.

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