Gesetz soll Kontrolle und Nachsteuern beim Klimaschutz regeln

Berlin – Damit Deutschland beim Klimaschutz künftig auf Kurs bleibt, soll ein Gesetz in Zukunft Treibhausgas-Einsparziele für einzelne Bereiche und klare Regeln fürs Nachsteuern festschreiben. Darauf haben sich die Spitzen der schwarz-roten Koalition heute verständigt.
Für Verkehr, Industrie, Landwirtschaft, Gebäude und weitere Sektoren werden auf Basis der bereits im Klimaschutzplan 2050 vereinbarten Ziele jährliche CO2-Budgets in einem Gesetz verankert, heißt es in einem 22 Seiten langen Papier. Das Klimakabinett der Bundesregierung soll zur Dauereinrichtung werden und Wirkung und Effizienz der Klimaschutzmaßnahmen jährlich prüfen.
Auch ein externer Expertenrat soll diese Arbeit begleiten. Wenn ein Bereich seine Ziele nicht schafft, soll der zuständige Bundesminister innerhalb von drei Monaten, nachdem die Daten zum CO2-Ausstoß von den Experten bestätigt wurden, dem Klimakabinett ein „Sofortprogramm zur Nachsteuerung“ vorlegen. Auf dieser Grundlage entscheidet das Klimakabinett dann, wie das Klimaschutzprogramm 2030 angepasst wird. Es soll dann auch geprüft werden, ob die Jahresbudgets angepasst werden – darüber soll dann die Bundesregierung entscheiden.
Die feste Verantwortung der Minister, genaue CO2-Budgets etwa für den Verkehr und ein Mechanismus zum Nachsteuern waren Vorschläge von Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD). Sie hatte in einem Entwurf für ein Klimaschutzgesetz noch zusätzlich vorgeschlagen, dass Strafzahlungen für Zielverfehlungen auf EU-Ebene aus dem Haushalt der zuständigen Ministerien bezahlt werden sollen. Das haben die Koalitionsspitzen aber nicht beschlossen.
Kritik von Umweltschützern
Umweltschützer haben mit Kritik auf die Vorhaben reagiert. „Auch nach monatelangen Verhandlungen liefert Kanzlerin Merkel lediglich ein Bündel Eckpunkte und Maßnahmen, das meilenweit hinter den Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen zurück bleibt“, kritisierte Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser. Vor allem die Union habe weitergehende Schritte verhindert.
Auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisierte die Beschlüsse. „Was das Klimakabinett heute präsentiert hat sind lediglich Luftbuchungen und leere Versprechungen“, sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. „Ob beim Kurs für 100 Prozent Erneuerbare, konkrete Vereinbarungen zum Ausstieg aus Kohle, Öl und Erdgas – ein Wille für ernsthaften Klimaschutz ist mit diesem Plan nicht erkennbar.“
Der Naturschutzbund Nabu äußerte Zweifel, dass die Bundesregierung die selbstgesteckten Klimaziele bis 2030 mit den beschlossenen Maßnahmen erreichen werde. Die Bundesregierung habe die Dringlichkeit zum Handeln noch nicht verstanden, sagte Nabu-Präsident Olaf Tschimpke. Es bleibe bei Steuergeschenken und neuen Subventionen. Die Naturschutzorganisation WWF nannte das Klimapaket eine „Mischung aus Verzagen, Vertagen und Versagen“ und forderte Nachbesserungen.
Unterdessen haben Zehntausende Menschen alleine in Berlin – darunter auch Ärzte und Medizinstudierende – mehr Klimaschutz gefordert. „Klimaschutz = Gesundheitsschutz“, stand etwa auf einem Plakat von Ärzten des Marburger Bundes (MB).

Der Stopp des vom Menschen gemachten Klimawandels und damit seiner Folgen auf die menschliche Gesundheit müsse absolute Priorität auch im gesundheitspolitischen Handeln bekommen, sagte Peter Bobbert, Vorsitzender des Marburger Bund Landesverbandes Berlin/Brandenburg, laut einer Mitteilung im MB-Interview zum Auftakt der globalen Klima-Aktionswoche.
Er betonte, das Klima sei ein entscheidender direkter und indirekter Faktor für die menschliche Gesundheit. „Wir Ärztinnen und Ärzte wissen um die gesundheitlichen Risiken, die durch Erderwärmung und Luftverschmutzung entstehen“, sagte er. Es gebe eine weltweite Zunahme von extremen Wetterereignissen. Große Hitzewellen machten schon jetzt vielen Menschen zu schaffen. Gerade in einer älter werdenden Gesellschaft werde das Gesundheitswesen dadurch besonders gefordert sein.
Bobbert mahnte, Ärzte dürften nicht nur darauf schauen, wie sie mit den Mitteln des Gesundheitswesens den Folgen des Klimawandel begegnen könnten, beispielsweise durch Prävention und Anpassung des Gesundheitsschutzes an neue Gegebenheiten. „Wir müssen auch mit daran arbeiten, dass das Gesundheitswesen selbst klimafreundlicher wird“, erklärte er. In Deutschland sei das Gesundheitswesen für 5,2 Prozent der gesamten CO2-Emissionen verantwortlich und damit für mehr Treibhausgase als der Flugverkehr. „Also sind auch wir als Ärzteschaft in der Verantwortung. Überall dort, wo wir arbeiten, muss Klimaschutz ein Thema sein.“

„Gesundheit und Wohlergehen der Menschen hängen ganz wesentlich vom Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen ab. Klimaschutz ist deshalb immer auch Gesundheitsschutz“, hatte bereits gestern der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Klaus Reinhardt, erklärt. Er hatte angekündigt, dass sich der nächste Deutsche Ärztetag im Mai 2020 mit den gesundheitlichen Auswirkungen der Erderwärmung auf die Gesundheit befassen wird.
„Wir wollen gemeinsam mit ausgewiesenen Experten sowohl die direkten Folgen des Klimawandels auf den menschlichen Körper, als auch die indirekten Folgen für die globale Gesundheit diskutieren“, erläuterte der BÄK-Präsident. Ziel sei, dass auch gesundheitliche Aspekte in die Klimapolitik der Bundesregierung mit einfließen würden.
Auch der Deutsche Pflegerat (DPR) unterstützt den Einsatz für das Klima. „Das Thema Gesundheit und Klima geht uns alle an“, machte DPR-Präsident Franz Wagner heute deutlich. „Und duldet keinen Aufschub mehr.“
Die Aufrechterhaltung eines intakten Klimas und Ökosystems und der Gesundheitsschutz gehörten unabdingbar zusammen. Sie müssten oberste Priorität in allen gesellschaftlichen Bereichen haben. „Die durch den Klimawandel hervorgerufenen gesundheitlichen Probleme müssen bereits heute beachtet und durch kluges Handeln vermieden beziehungsweise gelindert werden“, so Wagner.
Organisiert hatte die Demonstration, die durch Teile der Innenstadt und des Regierungsviertels zog, ein breites Bündnis, dem auch die von Schülern und Studenten getragene Bewegung Fridays for Future angehört. Bereits am Vormittag gab es in Berlin diverse andere Demonstrationen, zu denen unter anderem auch Ärzte und Unternehmer aufgerufen hatten.
Bundesweit waren heute nach Angaben der Bewegung „Fridays for Future“ mehr als 530 Demonstrationen geplant. Den Initiatoren zufolge beteiligten sich bundesweit 1,4 Millionen Menschen, 270.000 in Berlin, hieß es in einem Tweet der Bewegung. Schätzungen der Polizei in den jeweiligen Städten lagen etwas niedriger als die Veranstalterangaben.
Auch in vielen anderen Staaten gab es Streik- und Protestaufrufe: Für die internationale Streikwoche, die heute beginnt, hatten Aktivisten Proteste in mehr als 2.600 Städten in fast 160 Staaten angekündigt.
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