Politik

Gesetz soll Kontrolle und Nachsteuern beim Klimaschutz regeln

  • Freitag, 20. September 2019
Unter dem Motto „Klimaschutz = Gesundheitsschutz" beteiligten sich heute auch Ärzte und Medizinstudierende an den Protesten für eine besser Klimapolitik. /Maybaum
Unter dem Motto „Klimaschutz = Gesundheitsschutz" beteiligten sich heute auch Ärzte und Medizinstudierende an den Protesten für eine besser Klimapolitik. /Maybaum

Berlin – Damit Deutschland beim Klimaschutz künftig auf Kurs bleibt, soll ein Gesetz in Zukunft Treibhausgas-Einsparziele für einzelne Bereiche und klare Regeln fürs Nach­steu­ern festschreiben. Darauf haben sich die Spitzen der schwarz-roten Koalition heute ver­ständigt.

Für Verkehr, Industrie, Landwirtschaft, Gebäude und weitere Sektoren werden auf Basis der bereits im Klimaschutzplan 2050 vereinbarten Ziele jährliche CO2-Budgets in einem Gesetz verankert, heißt es in einem 22 Seiten langen Papier. Das Klimakabinett der Bun­des­regierung soll zur Dauereinrichtung werden und Wirkung und Effizienz der Klima­schutz­maßnahmen jährlich prüfen.

Auch ein externer Expertenrat soll diese Arbeit begleiten. Wenn ein Bereich seine Ziele nicht schafft, soll der zuständige Bundesminister innerhalb von drei Monaten, nachdem die Daten zum CO2-Ausstoß von den Experten bestätigt wurden, dem Klimakabinett ein „Sofortprogramm zur Nachsteuerung“ vorlegen. Auf dieser Grundlage entscheidet das Klimakabinett dann, wie das Klimaschutzprogramm 2030 angepasst wird. Es soll dann auch geprüft werden, ob die Jahresbudgets angepasst werden – darüber soll dann die Bundesregierung entscheiden.

Die feste Verantwortung der Minister, genaue CO2-Budgets etwa für den Verkehr und ein Mechanismus zum Nachsteuern waren Vorschläge von Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD). Sie hatte in einem Entwurf für ein Klimaschutzgesetz noch zusätzlich vor­geschlagen, dass Strafzahlungen für Zielverfehlungen auf EU-Ebene aus dem Haushalt der zuständigen Ministerien bezahlt werden sollen. Das haben die Koalitionsspitzen aber nicht beschlossen.

Kritik von Umweltschützern

Umweltschützer haben mit Kritik auf die Vorhaben reagiert. „Auch nach monatelangen Verhandlungen liefert Kanzlerin Merkel lediglich ein Bündel Eckpunkte und Maßnahmen, das meilenweit hinter den Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen zurück bleibt“, kritisierte Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser. Vor allem die Union habe weitergehende Schritte verhindert.

Auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisierte die Beschlüsse. „Was das Klimakabinett heute präsentiert hat sind lediglich Luftbuchungen und leere Versprechungen“, sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. „Ob beim Kurs für 100 Prozent Er­neuerbare, konkrete Vereinbarungen zum Ausstieg aus Kohle, Öl und Erdgas – ein Wille für ernsthaften Klimaschutz ist mit diesem Plan nicht erkennbar.“

Der Naturschutzbund Nabu äußerte Zweifel, dass die Bundesregierung die selbstgesteck­ten Klimaziele bis 2030 mit den beschlossenen Maßnahmen erreichen werde. Die Bun­des­regierung habe die Dringlichkeit zum Handeln noch nicht verstanden, sagte Nabu-Präsident Olaf Tschimpke. Es bleibe bei Steuergeschenken und neuen Subventionen. Die Natur­schutzorganisation WWF nannte das Klimapaket eine „Mischung aus Verzagen, Vertagen und Versagen“ und forderte Nachbesserungen.

Unterdessen haben Zehntausende Menschen alleine in Berlin – darunter auch Ärzte und Medi­zin­­studierende – mehr Klimaschutz gefordert. „Klimaschutz = Gesundheitsschutz“, stand etwa auf einem Plakat von Ärzten des Marburger Bundes (MB).

Demo Klimawandel Berlin 20. September 2019 /Maybaum
Ärzte vom Marburger Bund und Studierende des bvmd beteiligten sich an der Demonstration in Berlin. /Maybaum

Der Stopp des vom Men­schen gemach­ten Klimawandels und damit seiner Fol­gen auf die menschliche Gesund­heit müsse absolute Priorität auch im ge­sund­­heitspolitischen Han­deln bekomm­en, sagte Peter Bobbert, Vorsitzender des Marburger Bund Landesverbandes Ber­lin/Brandenburg, laut einer Mitteilung im MB-Interview zum Auftakt der globa­len Klima-Aktionswoche.

Er betonte, das Klima sei ein entschei­dender direkter und indirekter Faktor für die mensch­liche Gesundheit. „Wir Ärztin­nen und Ärzte wissen um die gesundheitlichen Risi­ken, die durch Erderwärmung und Luftverschmutzung entstehen“, sagte er. Es gebe eine weltweite Zunahme von extremen Wetterereignissen. Große Hitzewellen machten schon jetzt vielen Menschen zu schaffen. Gerade in einer älter werdenden Gesellschaft werde das Gesundheitswesen dadurch be­sonders gefordert sein.

Bobbert mahnte, Ärzte dürften nicht nur darauf schauen, wie sie mit den Mitteln des Ge­sundheitswesens den Folgen des Klimawandel begegnen könnten, beispielsweise durch Prävention und Anpassung des Gesundheitsschutzes an neue Gegebenheiten. „Wir müssen auch mit daran arbeiten, dass das Gesundheitswesen selbst klimafreundlicher wird“, erklärte er. In Deutschland sei das Gesundheitswesen für 5,2 Prozent der gesamten CO2-Emissionen verantwortlich und damit für mehr Treibhausgase als der Flugverkehr. „Also sind auch wir als Ärzteschaft in der Verantwortung. Überall dort, wo wir arbeiten, muss Klimaschutz ein Thema sein.“

Demo Klimawandel Berlin 20. September 2019 /Maybaum
/Maybaum

„Gesundheit und Wohlergehen der Menschen hängen ganz wesentlich vom Erhalt der na­türlichen Lebensgrundlagen ab. Klimaschutz ist deshalb immer auch Gesundheits­schutz“, hatte bereits ges­tern der Präsident der Bundesärztekam­mer (BÄK), Klaus Reinhardt, erklärt. Er hatte ange­kündigt, dass sich der nächste Deutsche Ärztetag im Mai 2020 mit den ge­sund­heitlichen Auswirkungen der Erd­erwär­mung auf die Gesundheit befassen wird.

„Wir wollen gemeinsam mit ausgewiesenen Experten sowohl die direkten Folgen des Kli­ma­wandels auf den menschlichen Körper, als auch die indirekten Folgen für die globale Ge­sundheit diskutieren“, erläuterte der BÄK-Präsident. Ziel sei, dass auch gesundheitliche Aspekte in die Klimapolitik der Bundesregierung mit einfließen würden.

Auch der Deutsche Pflegerat (DPR) unterstützt den Einsatz für das Klima. „Das Thema Ge­sundheit und Klima geht uns alle an“, machte DPR-Präsident Franz Wagner heute deut­lich. „Und duldet keinen Aufschub mehr.“

Die Aufrechterhaltung eines intakten Klimas und Ökosystems und der Gesundheitsschutz gehörten unabdingbar zusammen. Sie müssten oberste Priorität in allen gesellschaftli­chen Bereichen haben. „Die durch den Klimawan­del hervorgerufenen gesundheitlichen Probleme müssen bereits heute beachtet und durch kluges Handeln vermieden bezieh­ungsweise gelindert werden“, so Wagner.

Organisiert hatte die Demonstration, die durch Teile der Innenstadt und des Regierungs­viertels zog, ein breites Bündnis, dem auch die von Schülern und Studenten getragene Bewegung Fridays for Future angehört. Bereits am Vormittag gab es in Berlin diverse an­dere Demonstrationen, zu denen unter anderem auch Ärzte und Unternehmer aufgerufen hatten.

Bundesweit waren heute nach Angaben der Bewegung „Fridays for Future“ mehr als 530 Demonstrationen geplant. Den Initiatoren zufolge beteiligten sich bundesweit 1,4 Millio­nen Menschen, 270.000 in Berlin, hieß es in einem Tweet der Bewegung. Schätzungen der Po­lizei in den jeweiligen Städten lagen etwas niedriger als die Veranstalterangaben.

Auch in vielen an­deren Staaten gab es Streik- und Protestaufrufe: Für die internationale Streikwoche, die heute beginnt, hatten Aktivisten Proteste in mehr als 2.600 Städten in fast 160 Staa­ten angekündigt.

dpa/may

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