116117 wird zur umfassenden Servicenummer

Liebenberg – Die Rufnummer 116117, über die zurzeit außerhalb der Sprechzeiten der kassenärztliche Bereitschaftsdienst erreichbar ist, wird vom 1. Januar 2020 an zu einer umfassenden Servicenummer ausgebaut. Das hat der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, gestern Abend vor Journalisten in Liebenberg bekräftigt.
Ab diesem Zeitpunkt ist die Rufnummer rund um die Uhr erreichbar und gilt auch für die Terminservicestellen (TSS) der Kassenärztlichen Vereinigungen, die gesetzlich Krankenversicherten Termine bei Haus- und Fachärzten sowie bei Psychotherapeuten vermitteln. Die KBV setzt damit einen Auftrag aus dem Terminservice- und Versorgungsgesetz um. Zum Start des erweiterten Angebots werden die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) die Zahl ihrer Mitarbeiter in den Call-Centern auf etwa 1.200 aufstocken.
Mit einer groß angelegten Werbekampagne, die am 30. August starten soll, will die KBV die 116117 in der Bevölkerung bekannter machen. Der KBV-Versichertenbefragung zufolge kannten im vergangenen Jahr 37 Prozent der Befragten die Nummer für den ärztlichen Bereitschaftsdienst.
Der Ausbau des Angebots soll dazu beitragen, dass die Patienten in der Versorgungsebene behandelt werden, die ihren Beschwerden angemessen ist. So soll künftig verhindert werden, dass Patienten mit Bagatellerkrankungen die Notaufnahmen der Krankenhäuser verstopfen. „In Verbindung mit einem standardisierten medizinischen Ersteinschätzungssystem ist die 116117 die Eintrittspforte in das Versorgungssystem“, sagte Gassen.
Ersteinschätzung generiert keine Diagnose
Ein solches System hat das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) gemeinsam mit Partnern entwickelt. Dabei wurde eine Software aus der Schweiz auf deutsche Verhältnisse angepasst. Mit dem „strukturierten medizinischen Ersteinschätzungsverfahren für Deutschland“ (SmED) werden Patientendaten wie Geschlecht und Alter, chronische Krankheiten, Vorerkrankungen und Medikation, Leitsymptome und Begleitbeschwerden abgefragt.
Das Ergebnis sei keine Diagnose, sondern eine Einschätzung der Dringlichkeit der Behandlung, sagte Zi-Geschäftsführer Dominik von Stillfried. Die medizinisch geschulten Disponenten empfehlen den Anrufern anschließend die richtige Anlaufstelle für eine Behandlung: die Praxis eines niedergelassenen Arztes zu den regulären Sprechzeiten, eine Bereitschaftsdienstpraxis oder die Notaufnahme eines Krankenhauses.
Ist der Zustand des Anrufers nach Einschätzung der Disponenten lebensbedrohlich, verbinden sie zum Rettungsdienst. SmED wird zurzeit in mehreren KVen getestet. Ab Januar 2020 soll das System flächendeckend ausgerollt werden und auch an den Tresen der Bereitschaftspraxen oder Notaufnahmen zum Einsatz kommen.
Um sämtliche digitalen Möglichkeiten für die Patientensteuerung zu nutzen, stellt die KBV ab Ende August auch eine 116117-App bereit. Darüber können Nutzer unter anderem eine telefonische Verbindung zum Notruf 112 herstellen und auf die bundesweite Arztsuche zugreifen. Ab Anfang nächsten Jahres sollen Nutzer online Termine der TSS buchen können. Voraussichtlich Mitte 2020 soll auch eine für Patienten adaptierte Version von SmED über die App nutzbar sein.
KBV-Vorstand spricht sich gegen dritten Sektor zur Notfallbehandlung aus
Der KBV-Vorstand äußerte sich in Liebenberg auch ganz grundsätzlich zu den Plänen des Bundesgesundheitsministeriums für eine Reform der Notfallversorgung, die aber offenbar noch nicht mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) abgestimmt sind.
Sie sehen unter anderem vor, dass künftig die Länder die Planung und Gestaltung der integrierten Notfallversorgung übernehmen sollen. Den KVen den Sicherstellungsauftrag für den Bereitschaftsdienst zu entziehen, mache medizinisch keinen Sinn und stelle die Krankenhäuser aufgrund des Ärztemangels vor unlösbare Aufgaben, warnte der stellvertretende KBV-Vorsitzende Stephan Hofmeister.
Er räumte allerdings ein, dass viele Vertragsärzte es sicherlich begrüßen würden, den ungeliebten Bereitschaftsdienst nachts und an den Wochenenden loszuwerden. Darüber hinaus lasse der Gesetzentwurf aus dem Ministerium offen, wie viele integrierte Notfallzentren an welchen Standorten künftig benötigt würden. „Dazu müsste mal jemand den Mut haben“, erklärte auch KBV-Vorstand Gassen. Es könnten nicht an allen 2.000 Krankenhausstandorten solche Zentren geschaffen werden.
Sowohl Gassen als auch Hofmeister sprachen sich dagegen aus, dass Krankenhäuser und KVen die integrierten Notfallzentren künftig gemeinsam betreiben. „Wir brauchen keinen dritten Versorgungssektor“, sagte Hofmeister. „Wir wollen die Patienten integriert versorgen, aber nicht gemeinsam.“ Deshalb plädierte er dafür, dass die KVen den Tresen für ambulante Patienten betreiben und die Krankenhäuser für die Notaufnahmen zuständig sind, wo die Patienten mit dem Rettungswagen eintreffen.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: