Neupatientenregelung führte zu mehr Neupatientenfällen

Berlin – Um Anreize für Arztpraxen zu geben, vermehrt wieder Neupatienten zu behandeln, hatte die Politik 2019 mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz einen Zuschlag beschlossen. Der soll nun mit dem GKV-Finanzierungsgesetz wieder gestrichen werden, wie heute das Bundeskabinett beschloss. Eine Auswertung des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) zeigt, der Zuschlag hat tatsächlich zu mehr Aufnahmen von Neupatienten geführt.
Die Auswertung verdeutlicht dem Zi zufolge, dass im vierten Quartal 2021 mehr Neupatienten behandelt worden sind als im vierten Quartal 2019. Die Anzahl der Neupatienten erhöhte sich demnach im Schnitt um zwölf Prozent, 20 Millionen Neupatienten wurden damit im vierten Quartal 2021 behandelt.
Die höchsten Anstiege seien in Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen beobachtet worden, in denen der Anteil der Neupatienten nicht zuletzt aufgrund des eingeschränkten Angebots eher unterdurchschnittlich sei, so das Zi. Das Institut wies drauf hin, dass die ärztlichen Behandlungskapazitäten in den zwei Jahren eher weniger als mehr geworden seien.
Wie das Zi mitteilte, hat mehr als ein Fünftel aller Neupatienten zwei und mehr Neupatientenfälle ausgelöst. Das sei etwa bei Behandlungen in der Schwangerschaft, bei Haut oder Augenkrankheiten „nicht überraschend“, erklärte das Institut, das zugleich auf die wirtschaftliche Bedeutung der Neupatientenreglung für die Praxen verwies.
Diese sei für „nahezu alle Praxen von Bedeutung“. So hätten im vierten Quartal 2021 99 Prozent der Praxen Neupatienten behandelt. Bei Hautärzten und Frauenärzten seien es 100 Prozent der Praxen, bei ärztlichen Psychotherapeuten 96,4 Prozent. Unter die Neupatientenregelung fielen demnach rund 21 Prozent aller Behandlungsfälle dieses Quartals.
Besonders hoch ist der Anteil der Neupatienten bei Chirurgen, HNO-Ärzten, Hautärzten und Orthopäden. Die höchsten Steigerungsraten für Neupatienten ergaben sich aber bei Hausärzten (32 Prozent), Kinder- und Jugendärzten (18 Prozent) sowie bei nichtärztlichen Psychotherapeuten (18 Prozent).
Das Zi monierte angesichts der Zahlen erneut, dass die Neupatientenreglung gestrichen werden soll. So hätten die Vertragsärzte „maßvoll aber bestimmungsgemäß von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, ohne Mengenbegrenzung abzurechnen“, hieß es vom Institut.
„Durch die Kehrtwende der Bundesregierung würden der vertragsärztlichen Versorgung nach unseren Berechnungen rund 400 Millionen Euro entzogen, die in der medizinischen Versorgung der Patientinnen und Patienten fehlen werden,“ sagte Zi-Chef Dominik von Stillfried.
Er betonte, es werde in den kommenden Jahren wichtiger werden, die Behandlung von Neupatienten zu fördern, damit dringende Behandlungsanlässe trotz des fortschreitenden Fachkräftemangels schnell Zugang zur medizinischen Versorgung fänden, ohne etwa die Notfallversorgung zu belasten.
„Deshalb verwundert es, dass der amtierende Bundesminister für Gesundheit es offenbar zulässt, eine Förderung zu streichen, die unbestreitbar Vorteile für einen großen Teil der gesetzlich Versicherten entfaltet und deren Einführung er selbst erst 2019 als Abgeordneter gefordert und als sinnvoll begrüßt hat,“ sagte von Stillfried.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) widersprach dem Zi heute Nachmittag. Die Neupatientenregelung habe sich nicht bewährt, sagte er. „Empirische Arbeiten geben keinen Hinweis darauf, dass auch nur ein einziger Patient zusätzlich behandelt wurde wegen dieser Regelung“, sagte er. Es gebe gar keine Möglichkeiten, genau zu prüfen, wer ein Neupatient sei und wer nicht.
Als Neupatienten gelten gesetzlich Krankenversicherte, die mindestens zwei Jahre (acht Quartale) lang nicht in Behandlung der jeweiligen Praxis waren.
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