Neue Pflegepersonalregelung nur mit Zustimmung des Finanzministeriums

Berlin – Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) kann die Einführung der Pflegepersonalregelung 2.0 (PPR 2.0) nur auf den Weg bringen, wenn das Bundesfinanzministerium den geplanten Vorgaben zugestimmt hat. Das geht aus dem Kabinettsentwurf des Krankenhauspflegeentlastungsgesetzes (KHPflEG) hervor, der dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt. Bis zum 30. November 2023 soll das BMG Zeit haben, die entsprechende Rechtsverordnung im Einvernehmen mit dem Finanzministerium zu erlassen.
Mit der PPR 2.0 soll sich künftig die Anzahl der Pflegenden im Krankenhaus am jeweils vorliegenden Pflegebedarf orientieren. Auf diese Weise sollen die Arbeitsbedingungen von Pflegerinnen und Pflegern im Krankenhaus verbessert werden. Die Idee, die PPR 2.0 als Instrument zur Messung des Pflegebedarfs zu verwenden, stammt von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), dem Deutschen Pflegerat (DPR) und der Gewerkschaft Verdi.
Dabei sollen Patienten täglich in je vier Grund- und Spezialpflegeleistungsstufen eingeteilt werden, denen jeweils ein bestimmter Minutenwert zugeordnet ist. Hinzu kommen Grund- und Fallwerte als Basis. In der Summe ergibt sich ein Zeitwert pro Patient, der den Personalbedarf abbildet.
Im Anfang August vorgelegten Referentenentwurf des KHPflEG war ein dreistufiges Verfahren zur Einführung der PPR 2.0 dargestellt worden. Bevor das System im Januar 2024 eingeführt wird, soll es drei Monate lang getestet werden.
In einer dritten Stufe soll ein von den Krankenhäusern zu erreichender Umsetzungsgrad festgelegt werden. Krankenhäuser, für die eine tarifvertragliche Regelung zur Entlastung des Pflegepersonals gilt, müssen die Neuregelung nicht verpflichtend anwenden. Kliniken, die die geplanten neuen Vorgaben nicht erfüllen, sollen demnach spätestens ab 2025 mit Sanktionen bestraft werden können.
Dem Referentenentwurf zufolge sollte das BMG ermächtigt werden, die Vorgaben zur Einführung der PPR 2.0 in einer Rechtsverordnung festzulegen. Im Kabinettsentwurf heißt es nun, das BMG müsse erst das Einvernehmen mit dem Bundesfinanzministerium herstellen.
Im Kabinettsentwurf sind nun auch die voraussichtlichen Kosten, die durch die Neuregelung entstehen, quantifiziert. „Durch die Einführung von Vorgaben zur Personalbedarfsermittlung zur Festlegung der Personalbesetzung in der Pflege im Krankenhaus entstehen Bund, Ländern und Kommunen Mehrausgaben in nur schwer quantifizierbarer Höhe“, heißt es darin.
„Müssten 5.000 Pflegekräfte ab 1. Januar 2025 eingestellt werden und wären diese am Arbeitsmarkt auch verfügbar, so würden alle Kostenträger mit rund 325 Millionen Euro belastet. Personalkostensteigerungen, zum Beispiel durch Tarifabschlüsse in den Jahren 2021 bis 2025 sind dabei nicht berücksichtigt.“ Wenn allen Kostenträgern Mehrausgaben von rund 325 Millionen Euro entständen, entfielen auf Bund, Länder und Kommunen laut Gesetzentwurf rund 8,1 Millionen Euro.
DKG, DPR und Verdi waren bei der Vorstellung der PPR 2.0 Anfang 2020 allerdings davon ausgegangen, dass 40.000 bis 80.000 Pflegekräfte im Krankenhausbereich aufgestockt werden müssten.
Im Kabinettsentwurf wurden auch die Modalitäten der Einführung der PPR 2.0 neu gefasst. Zugelassene Krankenhäuser seien verpflichtet, eine angemessene Personalausstattung vorzuhalten und das für eine bedarfsgerechte Pflege am Bett erforderliche Personal sicherzustellen, heißt es darin.
Umfassende Informationspflichten vorgesehen
Zu diesem Zweck müssten sie Folgendes ermitteln und an das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus übermitteln: die Anzahl der auf bettenführenden Stationen der nichtintensivmedizinischen somatischen Versorgung von Erwachsenen und Kindern jeweils eingesetzten Pflegekräfte, den Pflegebedarf auf bettenführenden Stationen der nicht intensivmedizinischen somatischen Versorgung von Erwachsenen und Kindern sowie die Anzahl der auf bettenführenden Stationen der nichtintensivmedizinischen somatischen Versorgung von Erwachsenen und Kindern auf Grundlage des Pflegebedarfs einzusetzenden Pflegekräfte.
„Sie haben außerdem die Anzahl der eingesetzten Pflegekräfte schrittweise an die Anzahl der einzusetzenden Pflegekräfte anzupassen“, heißt es im Kabinettsentwurf weiter.
Nach den Plänen des BMG wird nach der Einführung des Systems die erlaubte Abweichung zur Sollstärke des Personals schrittweise verringert. „Die Festlegung der Erfüllungsgrade soll sich an realisierbaren Werten orientieren und die Lage auf dem Arbeitsmarkt für Pflegekräfte berücksichtigen“, so der Gesetzentwurf.
Das BMG soll zudem spätestens bis zum 31. Januar 2023 eine „fachlich unabhängige wissenschaftliche Einrichtung oder einen Sachverständigen oder eine Sachverständige“ mit einer mindestens dreimonatigen Erprobung eines im Einvernehmen mit dem BMG festzulegenden Konzepts zur Ermittlung einer angemessenen Personalausstattung beauftragen.
Für die Durchführung der Erprobung habe der Auftragnehmer eine repräsentative Auswahl an zugelassenen Krankenhäusern zu bestimmen. Die ausgewählten Krankenhäuser seien verpflichtet, dem Auftragnehmer Daten zu übermitteln.
Dies betrifft die Anzahl der in der jeweiligen bettenführenden Station der nichtintensivmedizinischen somatischen Versorgung eingesetzten Pflegekräfte, umgerechnet auf Vollkräfte und die Anzahl der in der jeweiligen bettenführenden Station der nichtmedizinischen somatischen Versorgung auf Grundlage des Pflegebedarfs einzusetzenden Pflegekräfte, umgerechnet auf Vollkräfte.
Die PPR 2.0 wurde von DKG, DPR und Verdi als Interimslösung bis zu der Einführung eines neu aufgesetzten Pflegebedarfsbemessungsinstruments vorgelegt. Mit der Erarbeitung eines solchen neuen Bemessungsinstruments wurden Ende der vergangenen Legislaturperiode DKG, GKV-Spitzenverband und der Verband der Privaten Krankenversicherung vom Gesetzgeber beauftragt.
„Es ist ein bedarfsgerechtes, standardisiertes, aufwandsarmes, transparentes, digital anwendbares und zukunftsfähiges Verfahren über einen analytischen Ansatz unter Hinzuziehung empirischer Daten zu entwickeln, durch das eine fachlich angemessene pflegerische Versorgung in den Krankenhäusern gewährleistet wird“, heißt es dazu im Paragrafen 137k des Sozialgesetzbuchs (SGB) V. Dessen Entwicklung und Erprobung sollte eigentlich spätestens bis zum 31. Dezember 2024 abgeschlossen sein.
Aufgrund der nun vorgesehenen Einführung des Interimsinstruments PPR 2.0 soll die vorgesehene Frist zur Neuentwicklung und Erprobung eines wissenschaftlich fundierten Verfahrens zur einheitlichen Bemessung des Pflegepersonalbedarfs durch den GKV-Spitzenverband, die PKV und die DKG um ein Jahr auf Ende 2025 verschoben werden. Bei der Entwicklung dieses neuen wissenschaftlichen Verfahrens könnten dann auch erste Erfahrungen mit der PPR 2.0 einbezogen werden, heißt es im Gesetzentwurf.
Neu im Kabinettsentwurf ist zudem, dass die bisherige Zweijahresfrist, in der der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (SVR) Gutachten vorlegt, flexibilisiert werden soll. So könnten aktuelle Themen schneller aufgegriffen und die wissenschaftliche Politikberatung durch den SVR zeitnäher erfolgen, heißt es zur Begründung. Zudem soll der Bereich der Pflege explizit in den Auftrag des SVR mit aufgenommen werden.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: