Politik

Suizidbeihilfe: Liberale Gesetzentwürfe fusioniert

  • Dienstag, 13. Juni 2023
Renate Künast (Grüne, M), spricht zwischen, Helge Lindh (SPD),und Katrin Helling-Plahr (FDP), bei der Vorstellung der Parlamentsinitiative für Regelungen der Sterbehilfe. /picture alliance, Michael Kappeler
Renate Künast (Grüne, M), spricht zwischen, Helge Lindh (SPD),und Katrin Helling-Plahr (FDP), bei der Vorstellung der Parlamentsinitiative für Regelungen der Sterbehilfe. /picture alliance, Michael Kappeler

Berlin – Die Debatte um neue gesetzliche Regelungen zur Suizidbeihilfe hat wieder Fahrt aufgenommen. Die Gruppen um die Grünen-Politikerin Renate Künast und die FDP-Politikerin Katrin Helling-Plahr, die sich in den vergangenen beiden Jahren für liberale Regelungen einsetzten, haben jetzt ihre Gesetzes­pläne zusammengeführt. Damit wollen sie bei einer Entscheidung im Bundestag ihre Chancen gegenüber den Anhängern einer restriktiveren Linie um den SPD-Politiker Lars Castellucci erhöhen.

Eine namentliche Abstimmung ohne Fraktionszwang könnte noch in der ersten Juliwoche – der letzten Parlamentswoche vor der Sommerpause – erfolgen, bei der dem Parlament ab sofort nur noch zwei statt drei Vorschläge vorliegen.

Die interfraktionellen Abgeordnetengruppen um Helling-Plahr und Künast stellten heute ihren gemeinsamen Entwurf eines „Gesetzes zum Schutz des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben und zur Regelung der Hilfe zur Selbsttötung“ sowie einen Entschließungsantrag zur Suizidprävention vor. Die Gruppen habe eine Grundhaltung geeint, nämlich der Respekt vor dem Recht auf selbstbestimmtes Sterben, sagte Helling-Plahr.

„Im Mittelpunkt unseres Entwurfes steht der Einzelne, der mit seinem Sterbewunsch nicht länger allein gelassen werden soll. Wir wollen allen Beteiligten einerseits Rechtssicherheit bieten sowie andererseits ein niedrigschwelliges Beratungsangebot zur Seite stellen“, so die FDP-Politikerin, die bereits in der vergangenen Wahlperiode gemeinsam mit Petra Sitte (Linke) und Helge Lindh (SPD) einen Entwurf für ein „Suizidhilfegesetz“ mit einer Rege­lung außerhalb des Strafrechtes in das Parlament eingebracht hatte.

Künast, die ebenfalls bereits zuvor eine gesetzliche Regelung der Sterbehilfe jenseits des Strafrechts in einem eigenen Antrag befürwortete, erläuterte heute die Vereinigung der beiden Entwürfe: „Die autonome Selbstbestimmung ist durch das Grundgesetz geschützt“, sagte sie. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasse auch ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben und die Freiheit, hierbei Hilfe anderer in Anspruch zu nehmen. Einen gegen die persönliche Autonomie gerichteten Lebensschutz dürfe es nicht geben. „Keinesfalls darf deshalb die Suizidbeihilfe im Strafgesetzbuch geregelt werden“, sagte sie.

Konkret schlagen die Abgeordnetengruppen in ihrem gemeinsamen Entwurf nun vor, Sterbewilligen den Zugang zu tödlich wirkenden Medikamenten zu ermöglichen, wenn sie zuvor eine Beratung in Anspruch genommen haben. Dabei sollen „Ärztinnen und Ärzte des Vertrauens“ die ersten Ansprechpartner sein, so Helling-Plahr. Vor einer Verschreibung sollen aber eine Beratung und das Einhalten einer Wartefrist verpflichtend sein. In Härtefällen - wenn sich jemand „in einem existenziellen Leidenszustand mit anhaltenden Symptomen“ befindet – sollen auch ohne Beratung tödliche Mittel verschrieben werden dürfen. In solchen Fällen muss allerdings ein zweiter, unabhängiger Arzt zur gleichen Einschätzung kommen. Finde sich keine Ärztin oder kein Arzt, der zur Verschreibung der Mittel bereit sei, solle eine im jeweiligen Bundesland zuständige Behörde entscheiden.

Das Bundesverfassungsgericht habe bereits im Jahr 2020 eine strafrechtliche Regelung der Suizidbeihilfe für verfassungswidrig erklärt, betonte Till Steffen (Grüne). Die Wahrscheinlichkeit sei daher hoch, dass der restriktive Gesetzentwurf der Abgeordneten um den SPD-Politiker Lars Castellucci vor dem BVG ebenfalls scheitern würde. Die Gruppe, der unter anderem Ansgar Heveling (CDU), Kirsten Kappert-Gonther (Grüne), Petra Pau (Linke) und Benjamin Strasser (FDP) angehören, plädiert für eine restriktive Regelung der Suizidbeihilfe.

Sie will die auf Wiederholung angelegte, sogenannte geschäftsmäßige Suizidassistenz, in Anlehnung an die vom Bun­desverfassungsgericht gekippte Regelung erneut im Strafrecht verbieten. Nur unter bestimmten Bedingungen und nach ärztlichen Begutachtungen soll die Beihilfe erlaubt werden. Verstöße sollen mit bis zu drei Jahren Haft oder Geldstrafen geahndet werden.

Patientenschützer dagegen sprechen sich gegen jegliche gesetzliche Regelung der Suizidhilfe aus. Die Selbstbestimmung der Sterbewilligen und der Schutz vor Fremdbestimmung seien viel zu komplex, um sie in Paragrafen zu pressen, sagte der Vorstand der Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch. Er beklagte, dass Psychotherapie und würdevolle Pflege oder Therapie für viele sterbenskranke, lebenssatte, psychisch kranke oder depressive Menschen weiter unerreichbar seien. „Suizidprävention bleibt somit viel zu häufig auf der Strecke.“

ER

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