Suizidbeihilfe: Fachgesellschaft übt Kritik am fraktionsübergreifenden Gesetzesentwurf

Berlin – Der kürzlich vorgestellte neue fraktionsübergreifende Gesetzesentwurf zur Suizidbeihilfe ist aus Sicht der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) unzureichend und gefährdet das Leben psychisch erkrankter Menschen.
Die DGPPN verweist darauf, dass im Jahr 2021 9.200 Personen in Deutschland durch Suizid zu Tode kamen, die meisten davon im Zusammenhang mit einer psychischen Erkrankung.
Eine psychiatrische, suizidpräventive Behandlung hätte, wie laut der Fachgesellschaft Studien zeigen würden, viele dieser Menschen retten können. Die meisten von ihnen seien aufgrund der Schwere ihrer Erkrankung nicht in der Lage gewesen, die Entscheidung über ihren Suizid frei und selbstbestimmt zu treffen.
Der neu vorgestellte Gesetzentwurf biete dieser Gruppe keinen ausreichenden Schutz, so die Kritik. Zwar sehe der Entwurf vor, dass bei der Beratung, die dem Suizid vorausgehen muss, und auch bei der Verschreibung des todbringenden Präparats der freie Wille der Betroffenen vorliegen müsse – es bleibe aber gänzlich ungeregelt, wie dies zu beurteilen ist.
Um diese Frage fundiert zu beurteilen, sei die Expertise von Fachärzten für Psychiatrie und Psychotherapie notwendig. Der Entwurf sehe aber ihre Einbindung nicht vor. Ganz im Gegenteil mache er keinerlei Vorgaben zu Ausbildung oder Expertise der Beratenden, bemängelt die DGPPN.
Ein weiterer Kritikpunkt der DGPPN: Dem vorliegenden Entwurf zufolge solle ein und derselbe Arzt die Willensfreiheit der Person beurteilen und über die Verschreibung des Präparats entscheiden. Die Begutachtung der Selbstbestimmungsfähigkeit und die Suizidbeihilfe würden also nicht von unterschiedlichen und voneinander unabhängigen Personen durchgeführt.
Einer Entscheidung über Leben und Tod werde dies nicht gerecht, warnt die Fachgesellschaft. Der Entwurf lasse zudem offen, woher Ressourcen und Personal für die einzurichtenden Beratungsstellen kommen sollen.
„Wer akut suizidal ist, muss zunächst im Gesundheitssystem versorgt werden. Eine ergebnisoffene Beratung durch Menschen mit unklarer Expertise vermeidet Suizide nicht, sondern befördert sie“, stellte Andreas Meyer-Lindenberg, Präsident der DGPPN klar.
Die Fachgesellschaft forderte schon im vergangenen Jahr in einem Eckpunktepapier, dass Personen, die Suizidassistenz suchen, deren Selbstbestimmungsfähigkeit aber in Frage steht, unbedingt nahtlos Unterstützung finden müssen.
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