Intensivmedizinische Kapazitäten: BÄK mahnt Nachbesserungen an Gesetzentwurf an

Berlin – Mitte Juni hatte das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) einen Referentenentwurf vorgelegt, mit dem im Infektionsschutzgesetz das Verfahren im Falle pandemiebedingt nicht ausreichender überlebenswichtiger, intensivmedizinischer Behandlungskapazitäten geregelt werden soll. Die Bundesärztekammer (BÄK) zeigte sich nicht überzeugt und mahnt Nachbesserungen an.
In ihrer Stellungnahme zum Referentenentwurf bemängelt die BÄK unter anderem, dass nur kurz in der Begründung des Entwurfs aufgegriffen wird, dass die Schaffung ausreichender Behandlungskapazitäten vorrangig ist.
Offen bleibe darüber hinaus, wem die Entscheidung obliege, ob die gesetzlichen Verfahrensvorgaben Anwendung finden und wie die Information darüber zu den Krankenhäusern mit Intensivstation übermittelt werden soll.
„Bereits im Normtext muss zum Ausdruck gebracht werden, dass sich die Regelung ausschließlich auf die pandemiebedingte spezielle Ausnahmesituation beschränkt, die Gegenstand der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts war“, sagte Ellen Lundershausen, Vizepräsidentin der BÄK.
Da Allokations- und Priorisierungsentscheidungen regelhaft Bestandteil ärztlicher Tätigkeit seien, sei die allein im Fokus des Referentenentwurfs stehende spezielle medizinische Behandlungssituation im Interesse der Rechtssicherheit aller Beteiligten klar zu umschreiben, hieß es von der BÄK.
Durch den expliziten Ausschluss der „Ex-post-Triage“ käme das Gesetz nur zur Anwendung, wenn zwei Patienten zeitgleich eine intensivmedizinische Behandlung benötigen. Dabei wäre unerheblich, worin die Notwendigkeit der intensivmedizinischen Behandlung begründet ist, das heißt, ob sie ihre Ursache etwa in einer Infektionsbehandlung, einer postoperativen Überwachung, einem Unfall, einem Herzinfarkt oder Schlaganfall hat.
Aus ärztlicher Sicht zwingend ist aber, „dass insbesondere Menschen mit Behinderungen oder ältere Menschen bei der Entscheidung über die Zuteilung intensivmedizinischer Ressourcen – wie alle anderen Patientinnen und Patienten – weder benachteiligt noch bevorzugt werden“, sagte Günther Matheis, Vizepräsident der BÄK.
Er verwies auf einen entsprechenden Beschluss des 126. Deutschen Ärztetages 2022. Die BÄK betonte, „dass sich Ärztinnen und Ärzte im Falle der Zuteilung knapper Ressourcen unabhängig von der jeweiligen Entscheidungssituation immer in einem moralischen Dilemma befinden“.
Sei der Gesetzgeber von Verfassung wegen gehalten, wirksame Schutzmaßnahmen für Menschen mit Behinderungen zu treffen, dürfe er die Entscheidung darüber, ob sich die an der Zuteilungsentscheidung beteiligten Ärzte bei Beachtung der Verfahrensanweisungen und materiellen Kriterien rechtmäßig verhalten oder sie nur kein individueller Schuldvorwurf treffe, nicht den Gerichten und der rechtswissenschaftlichen Diskussion überlassen. Vielmehr müsse er sich auch insofern eindeutig zugunsten der Ärzteschaft positionieren, so die BÄK.
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