Ärzte drängen weiterhin auf Möglichkeit zur Ex-Post-Triage

Mainz/Berlin – In extremen Fällen sollten Ärzte die Intensivbehandlung eines Patienten zugunsten eines anderen mit einer höheren Überlebenswahrscheinlichkeit abbrechen können. Das fordert die Vertreterversammlung der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz in einer Resolution.
Die Bundesregierung sollte daher das vorgesehene Verbot der Ex-Post-Triage streichen. Dieses Verbot ist im Gesetzentwurf des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes vorgesehen.
In einer früheren Referentenfassung war die Ex-Post-Triage noch enthalten. Hintergrund der vorgesehenen Neuregelung ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von Ende vergangenen Jahres. Demnach muss der Bundestag Vorkehrungen zum Schutz von Menschen mit Behinderungen im Fall einer Triage treffen.
Die Forderung der Ärzteschaft verstößt der Ärztekammer zufolge nicht gegen das Gerichtsurteil, denn eine pandemiebedingte Schließung von Intensivstationen treffe behinderte und nicht behinderte Menschen gleichermaßen.
Es könne in Extremfällen richtig sein, einen Patienten mit nur noch minimalen kurzfristigen Überlebenschancen zugunsten eines anderen Patienten mit deutlich besseren Chancen vom Beatmungsgerät zu trennen.
Dieses Szenarium erfordere für Ärzte Rechtssicherheit, um in einer Not- und extremen Stresslage zu entscheiden, welche Patienten mit guter Prognose sie retten könnten. „Dafür dürfen sie nicht bestraft werden können“, so der Präsident der Landesärztekammer, Günther Matheis.
Auch die Bundesärztekammer (BÄK) hatte die Politik angemahnt, den Gesetzentwurf zu überarbeiten. Es sei aus ärztlicher Sicht zwingend, „dass insbesondere Menschen mit Behinderungen oder ältere Menschen bei der Entscheidung über die Zuteilung intensivmedizinischer Ressourcen – wie alle anderen Patientinnen und Patienten – weder benachteiligt noch bevorzugt werden“, sagte Matheis Ende Juli. Er ist auch Vizepräsident der BÄK.
Scharfe Kritik an der geplanten Regelung kommt außerdem von medizinischen Fachgesellschaften: Sie sehen laut einer Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) „dringenden Überarbeitungsbedarf, um eine gesetzliche Grundlage für eine faires, transparentes und den Schaden für die Gesellschaft minimierendes Verfahren für die Priorisierung im Falle einer pandemiebedingten Knappheit intensivmedizinischer Ressourcen zu schaffen“.
„Wir lehnen ein Losverfahren oder ‚First-come-first-serve‘ bei der Vergabe von Intensivmedizinressourcen strikt ab“, sagte Uwe Janssens Anfang August dem Deutschen Ärzteblatt. Janssens ist unter anderem Past Präsident der Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) und Mitautor der Leitlinie „Entscheidungen über die Zuteilung intensivmedizinischer Ressourcen im Kontext der COVID-19-Pandemie – Klinisch-ethische Empfehlungen“.
Er betont, dass Intensivmediziner während des Verlaufs der Intensivbehandlung die Erfolgsaussichten und Therapieziele eines Patienten immer wieder neu überprüfen und gegebenenfalls neu ausrichten müssten.
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