Medizin

Warburg-Effekt: Wie 3-Bromopyruvat Krebs besiegen soll

  • Montag, 15. August 2016
Uploaded: 15.08.2016 15:41:27 by mis
dpa

Baltimore – Die Nachricht, dass die Substanz 3-Bromopyruvat möglicherweise für den Tod von mehreren Patienten an einem „alternativen“ Krebszentrum in Brüggen verantwortlich ist, hat auch in den USA für Aufsehen gesorgt. Dort hat eine Firma von der US-Arzneibehörde FDA bereits im Juli 2013 die Erlaubnis zur Durchführung einer klinischen Studie erhalten, die allerdings bisher nicht begonnen wurde. Im Jahr 2012 hatten Mediziner der Universität Frankfurt einen Heilversuch bei einem 16-jährigen Patienten unternommen.

3-Bromopyruvat (3BP) ist Derivat der Brenztraubensäure oder Pyruvat. Das Mittel hemmt das Enzym Hexokinase II, das den ersten Schritt der Glykolyse, also den Abbau von Glukose katalysiert. 3BP hemmt dadurch die Energieproduktion von Krebszellen. Tumorzellen bevorzugen als Energiequelle den raschen Abbau von Glukose, der auch ohne Sauerstoffzufuhr möglich ist. Dieses Phänomen, das zuerst von dem Biochemiker Otto Warburg beschrieben wurde und als Warburg-Effekt bekannt ist, wird seit Jahren in der Positronen-Emissions-Tomographie genutzt. Dort werden Metastasen durch die vermehrte Aufnahme von markierter Glukose geortet, die von Tumorzellen in sehr viel stärkerem Ausmaß als vom umgebenden Gewebe als Energiequelle genutzt wird.

Dies hat den Radiologen Jean Francois Geschwind von der Johns Hopkins University in Baltimore zusammen mit den Biochemikern Young Hee Ko und Peter Pedersen veranlasst, die Wirkung von Substanzen zu untersuchen, die die Glykolyse blockieren. Vor 15 Jahren berichteten die Forscher in Cancer Letters (2001; 173: 83-91), dass 3BP Lebertumore bei Kaninchen „aushungern“ kann.

Seither wurden eine Reihe von in vitro-Experimenten publiziert, in denen eine krebs­hemmende Wirkung bei einer Vielzahl von Krebsarten beobachtet wurde. Geschwind hat mittlerweile die Firma PreScience Labs mit Sitz in Potomac/Maryland gegründet, die im Jahr 2013 die US-Arzneimittelagentur FDA davon überzeugte, dass die Ergebnisse aus tierexperimentellen Studien die Durchführung einer Phase 1-Studie rechtfertigen.

Diese Studie sollte laut der Webseite bereits Anfang 2014 beginnen. Bislang ist jedoch kein Projekt mit 3BP in clincicaltrials.gov gelistet. Der Grund ist unklar, möglicherweise haben sich jedoch – in nicht publizierten tierexperimentellen Studien? – toxische Effekte gezeigt. Der Hersteller experimentiert jedenfalls mit einer mikroverkapselten Formu­lierung von 3BP, die den Wirkstoff bevorzugt in der Nähe des Tumors freisetzen soll.

Nicht verkapseltes 3BP wurde laut einem Bericht im Journal of Bioenergetics and Biomembranen (2012; 44: 163-70) von einem Team um Tho­mas Vogl vom Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie der Uniklinik Frankfurt an einem 16-jährigen Patienten eigesetzt, der an einem fibrolamellären hepatozellulären Karzinom litt, einem seltenen Leberkrebs mit einer ungünstiger Prognose.

BP3 wurde bei dem Patienten in eine Leberarterie infundiert, um Wirksamkeit und Toxizität lokal zu begrenzen. Laut dem Bericht kam es zu einer Remission des Tumors, die allerdings den Tod des Patienten im Alter von 18 Jahren nicht verhinderte. Da es sich um einen Einzelfall handelt, blieb unklar, ob die Behandlung das Leben des Patienten tatsächlich verlängerte, wie die Autoren in der Studie vermuteten.

Andere Zentren sollen vereinzelt Behandlungen durchgeführt haben, darunter eine Klinik in Ägypten, die darüber im Chinese Journal of Cancer (2014; 33: 356-364) berichtet hat. Der Behandlungsversuch bei einem 28-jährigen Mann mit fortgeschrittenem Melanom erzielte jedoch keine Wirkung.

Die beiden Teams aus Frankfurt und Ägypten berichten nicht über Komplikationen, die auf eine erhöhte Toxizität hinweisen. Dies schließt sicherlich nicht aus, dass die Behandlung mit BP3 am „Biologischen Krebszentrum Bracht“ für den Tod von drei Krebskranken verantwortlich war, was derzeit von der Staatsanwaltschaft untersucht wird.

rme

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