Henke: Heilpraktikergesetz überdenken

Krefeld/Berlin – Knapp einen Monat nach dem Tod mehrerer Patienten eines alternativen Krebszentrums am Niederrhein sind die Dimensionen des Falles weiter unklar. Der Präsident der Ärztekammer Nordrhein, erster Vorsitzender des Marburger Bundes (MB) und Bundestagsabgeordnete Rudolf Henke (CDU) forderte in der Konsequenz, das Heilpraktikergesetz auf den Prüfstand zu stellen.
Schon aus Gründen der Patientensicherheit sei laut Henke zu hinterfragen, ob man die Heilpraktikererlaubnis so undifferenziert erteilen sollte wie bisher – oder ob man über Begrenzungen oder Konkretisierungen der Erlaubnis nachdenken müsse. „Das ist glaube ich der Weg, den man gehen sollte“, sagte Henke der DAZ.online. Er forderte, sich die Lage genau anzusehen und zu prüfen, „ob wir es bei der jetzigen Regulierung belassen können“.
Henke betonte, Heilpraktiker dürften lediglich die Tätigkeiten, die allein der Ärzteschaft vorbehalten seien, nicht durchführen und daher zum Beispiel keine rezeptpflichtigen Arzneimittel verordnen. Ansonsten sei es ihnen erlaubt, die gesamte Heilkunde auszuüben und auch rezeptfreie Arzneimittel anzuwenden. „Vielleicht muss man diese Grenze klarer definieren. Es gibt keine praktische Ausbildung, wo künftige Heilpraktiker am Patienten lernen, Infusionen anzulegen – das müssen sie sich autodidaktisch aneignen“, so Henke. Es sei aber bekannt, dass Heilpraktiker intramuskulär spritzten und beispielsweise Infusionen anlegten. „Daher muss man prüfen, ob nicht der Weg, den die Schweiz gegangen ist – alle invasiven Therapien auszuschließen – zu mehr Sicherheit führt“, sagte Henke.
Er betonte zugleich, es gehe nicht darum, das Heilpraktikersystem komplett infrage zu stellen. Der Bund hätte jedoch die Kompetenz, die Ausbildung neu zu regeln. Die Berufsausübung und Überwachung der Heilpraktiker sei Aufgabe der Gesundheitsämter – bis hin zum Entzug der Erlaubnis. Aus Sicht von Henke hätten die Landesbehörden vielleicht die Möglichkeit – wie bei den Kampagnen zur Arbeitssicherheit in anderen Branchen – Kontrollen zu intensivieren. „Einfach nur Kontrollen zu fordern, ist wohlfeil – das lässt die Gesundheitsämter mit der Realisierbarkeit alleine. Sie müssten dann auch – personell wie rechtlich – entsprechend ausgestattet werden“, mahnte Henke.
Erst gestern hatte der WDR berichtet, die Staatsanwaltschaft Krefeld ermittele inzwischen in 70 Todesfällen. Staatsanwalt Marcel Dörschug wollte das aber „weder bestätigen noch dementieren“. Er werde sich derzeit nicht zum Stand der Ermittlungen äußern, sagte Dörschug. In einer früheren Mitteilung der Staatsanwaltschaft war von drei Todesfällen die Rede.
Die drei Patienten waren Ende Juli gestorben und kurz zuvor in Brüggen mit dem Präparat „3-Bromopyruvat“ behandelt worden. Die Substanz ist nicht als Medikament zugelassen. Die Staatsanwaltschaft hatte vor einigen Tagen dazu mitgeteilt, der Heilpraktiker sei aber grundsätzlich berechtigt gewesen, den Stoff zu verwenden.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt nach eigenen Angaben gegen den Betreiber der Praxis wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung in mehreren Fällen. In der Praxis waren überwiegend niederländische Staatsbürger behandelt worden.
In seiner Presseerklärung vom 12. August hatte Dörschug mitgeteilt, dass sichergestellte Beweismittel darauf ausgewertet werden, „ob weitere Behandlungsfälle in die Ermittlungen einzubeziehen sind“. Über diese Angaben hinaus werde er derzeit keine weiteren Auskünfte geben, sagte Dörschug am Freitag.
Der WDR hatte gestern berichtet, die Behörden hätten offenbar die Patientenakten systematisch auf Behandlungen mit dem umstrittenen Wirkstoff geprüft. In all diesen Fällen müsse untersucht werden, ob tatsächlich die Behandlung zum Tode geführt habe. Möglicherweise müssten viele der Leichen exhumiert werden, um eine Obduktion zu ermöglichen.
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