Politik

Henke: Heilpraktikergesetz überdenken

  • Freitag, 19. August 2016
Uploaded: 28.04.2014 16:51:36 by mis
Rudold Henke /dpa

Krefeld/Berlin – Knapp einen Monat nach dem Tod mehrerer Patienten eines alter­na­­tiven Krebs­zentrums am Niederrhein sind die Dimensionen des Falles weiter unklar. Der Prä­si­dent der Ärztekammer Nordrhein, erster Vorsitzender des Marburger Bundes (MB) und Bun­des­tagsabgeordnete Rudolf Henke (CDU) forderte in der Konsequenz, das Heil­prak­ti­­kergesetz auf den Prüfstand zu stellen.

Schon aus Gründen der Patientensicherheit sei laut Henke zu hinterfragen, ob man die Heilpraktikererlaubnis so undifferenziert erteilen sollte wie bisher – oder ob man über Begrenzungen oder Konkretisierungen der Erlaubnis nachdenken müsse. „Das ist glaube ich der Weg, den man gehen sollte“, sagte Henke der DAZ.online. Er forderte, sich die Lage genau anzusehen und zu prüfen, „ob wir es bei der jetzigen Regulierung belassen können“.

Henke betonte, Heilpraktiker dürften lediglich die Tätigkeiten, die allein der Ärzteschaft vorbehalten sei­en, nicht durchführen und daher zum Beispiel keine rezept­pflichtigen Arznei­mittel verordnen. Ansonsten sei es ihnen erlaubt, die gesamte Heilkunde auszu­üben und auch rezeptfreie Arzneimittel anzu­wen­den. „Vielleicht muss man diese Grenze klarer definieren. Es gibt keine praktische Ausbildung, wo künftige Heilpraktiker am Pa­tienten lernen, Infusionen anzulegen – das müssen sie sich autodidaktisch aneignen“, so Henke. Es sei aber bekannt, dass Heil­prak­tiker intramuskulär spritzten und beispiels­wei­se Infusionen anlegten. „Daher muss man prüfen, ob nicht der Weg, den die Schweiz gegangen ist – alle invasiven Therapien auszuschließen – zu mehr Sicherheit führt“, sagte Henke.

Er betonte zugleich, es gehe nicht darum, das Heilpraktikersystem komplett infrage zu stellen. Der Bund hätte jedoch die Kompetenz, die Ausbildung neu zu regeln. Die Berufs­ausübung und Überwachung der Heilpraktiker sei Aufgabe der Gesundheitsämter – bis hin zum Entzug der Erlaubnis. Aus Sicht von Henke hätten die Landesbehörden vielleicht die Möglichkeit – wie bei den Kampagnen zur Arbeitssicherheit in anderen Branchen – Kontrollen zu intensivieren. „Einfach nur Kontrollen zu fordern, ist wohlfeil – das lässt die Gesundheitsämter mit der Realisierbarkeit alleine. Sie müssten dann auch – personell wie rechtlich – entsprechend ausgestattet werden“, mahnte Henke.

Erst gestern hatte der WDR berichtet, die Staatsanwaltschaft Krefeld ermittele inzwi­schen in 70 Todesfällen. Staatsanwalt Marcel Dörschug wollte das aber „weder bestäti­gen noch demen­tieren“. Er werde sich derzeit nicht zum Stand der Ermittlungen äußern, sagte Dörschug. In einer früheren Mitteilung der Staatsanwaltschaft war von drei Todesfällen die Rede.

Die drei Patienten waren Ende Juli gestorben und kurz zuvor in Brüggen mit dem Prä­parat „3-Bromopyruvat“ behandelt worden. Die Substanz ist nicht als Medikament zu­ge­lassen. Die Staatsanwaltschaft hatte vor einigen Tagen dazu mitgeteilt, der Heilpraktiker sei aber grundsätzlich berechtigt gewesen, den Stoff zu verwenden.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt nach eigenen Angaben gegen den Betreiber der Praxis wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung in mehreren Fällen. In der Praxis waren überwiegend niederländische Staatsbürger behandelt worden.

In seiner Presseerklärung vom 12. August hatte Dörschug mitgeteilt, dass sichergestellte Beweismittel darauf ausgewertet werden, „ob weitere Behandlungsfälle in die Ermittlun­gen einzubeziehen sind“. Über diese Angaben hinaus werde er derzeit keine weiteren Auskünfte geben, sagte Dörschug am Freitag.

Der WDR hatte gestern berichtet, die Behörden hätten offenbar die Patientenakten systematisch auf Behandlungen mit dem umstrittenen Wirkstoff geprüft. In all diesen Fällen müsse untersucht werden, ob tatsächlich die Behandlung zum Tode geführt habe. Möglicherweise müssten viele der Leichen exhumiert werden, um eine Obduktion zu ermöglichen.

dpa/may

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung