48. Blutgruppensystem entdeckt: Bislang nur ein Gwada-negativer Mensch bekannt

Mailand – Bei einer Frau aus dem französischen Überseedepartement Guadeloupe haben Forschende ein neues Blutgruppensystem namens PIGZ entdeckt. Darüber berichtete die Gruppe kürzlich auf dem Kongress der Internationale Gesellschaft für Bluttransfusion (ISBT) in Mailand (2025; Abstract: PA22-L04; DOI: 10.1111/vox.70030). Die ISBT führt PIGZ nun als 48. Blutgruppensystem.
Innerhalb dieses neuen Systems wird die betroffene Frau als „Gwada-negativ" gewertet. Gwada ist ein umgangssprachlicher Ausdruck für Guadeloupe.
Martin Olsson und Jill Storry, Transfusionsmediziner von der schwedischen Lund-Universität, bezeichneten die Blutgruppe in einem Artikel der Wissenschaftsnachrichtenseite The Conversation als „die seltenste der Welt“. Denn bislang sei kein weiterer Mensch bekannt, der „Gwada-negativ" ist.
Blutgruppensysteme spielen insbesondere in der Transfusionsmedizin eine wichtige Rolle. Die bekanntesten solcher Systeme sind das ABO-System sowie das Rh-System, das sich auf den Rhesusfaktor bezieht.
Betrachtet man beispielsweise isoliert das ABO-System, können Menschen entweder zu Blutgruppe A, B, AB oder 0 gehören. Die Buchstaben beziehen sich dabei auf bestimmte Antigene auf der Oberfläche der roten Blutkörperchen. Menschen mit Blutgruppe 0 haben weder das Antigen A noch das Antigen B.
Das Blut von Menschen mit verschiedener Blutgruppe ist dabei nur bedingt kompatibel. Denn Träger der Blutgruppe 0 bilden beispielsweise Antikörper gegen die Antigene A und B. Bekommt ein solcher Mensch eine Blutspende der Blutgruppe A, B oder AB, kann es zu gefährlichen Abstoßungsreaktionen kommen.
Das Blut der 54-jährigen Frau aus Guadeloupe wurde untersucht, weil bei ihr zu einem früheren Zeitpunkt ungewöhnliche Antikörper festgestellt worden waren.
Die Forschenden um Thierry Peyrard von der französischen Blutbank EFS fanden heraus, dass kein Blut von potenziellen Spenderinnen oder Spendern zu der Frau passte, auch nicht das Blut ihrer 3 Geschwister. Bislang sei aber unklar, was passieren würde, wenn die Frau Blut von einem Gwada-inkompatiblen Spendenden bekommen würde, so Olsson und Storry in The Conversation.
Um herauszufinden, warum ihr Blutplasma gegen das Blut einer ganzen Reihe von Spendenden reagierte, sequenzierte das Forschungsteam um Peyrard alle 22.000 Gene der Frau. Dabei kam heraus, dass sie eine spezielle Mutation im Gen PIGZ hat. PIGZ steht für "phosphatidylinositol glycan anchor biosynthesis class Z".
Dieses Gen stellt den Bauplan für ein Enzym, das beim Aufbau eines wichtigen Moleküls auf der Oberfläche von Zellen eine Rolle spielt. Über den sogenannten GPI-Anker (lang: Glycosylphosphatidylinositol-Anker) werden Proteine auf Zellmembranen befestigt. Durch die Mutation im PIGZ-Gen ist der GPI-Anker auf roten Blutkörperchen verändert, dadurch entsteht ein neues Antigen und in der Folge eine neue Blutgruppe.
Der Fall der Frau ist noch aus einem anderen Grund interessant. Die 54-Jährige hat den Forschenden zufolge eine leichte geistige Behinderung, zudem erlitt sie 2 Fehlgeburten, ein drittes Kind starb im Alter von einem Jahr.
Die Forschenden vermuten, dass dabei möglicherweise auch die Mutation im PIGZ-Gen eine Rolle spielt. Denn es ist bekannt, dass Menschen, bei denen andere für den Aufbau des GPI-Ankers benötigte Enzyme defekt sind, neurologische Probleme von Entwicklungsverzögerungen bis zu Schlaganfällen haben, schreiben Olsson und Storry in The Conversation. Zudem seien bei Frauen mit dieser Art von Defekten Totgeburten verbreiteter.
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