Ärzteverbände legen Eckpunkte zur Notfallversorgung vor

Berlin – Kurz vor der morgigen offiziellen Vorstellung der Gesetzespläne für eine bundesweite Notfallreform haben heute mehrere Ärzteverbände ihre Vorstellungen für eine Novelle vorgelegt. Darin enthalten ist auch der Appell an den zweckmäßigen Einsatz von Ärztinnen und Ärzten in der ambulanten wie stationären Versorgung.
In einem gemeinsamen Eckpunktepapier von Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV), Hausärztinnen- und Hausärzteverband, Marburger Bund (MB) sowie mit Unterstützung vom Spitzenverband der Fachärzte (Spifa) und dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzten (BVKJ) wird vor allem eine bessere Steuerung von Patientinnen und Patienten gefordert.
Die Regelungen für das Verhalten im Notfall müsse seitens der Bundespolitik mit einer entsprechen öffentlichen Kampagne begleitet werden. Die fünf Ärzteverbände fordern, dass Patienten nach einem telefonischen Erstkontakt oder auch nach dem Kontakt an einer anderen medizinischen Anlaufstelle in die erforderliche medizinische Versorgung weitergeleitet werden.
„Dabei gilt der Grundsatz ambulant vor stationär“, heißt es in dem Papier. Um diese Steuerung optimal zu gestalten, benötige es eine „sektorübergreifende, nach wissenschaftlichen Erkenntnissen schnellstmögliche Vermittlung“ in die richtige Versorgungsebene. Dafür müssten ein Instrument der Ersteinschätzung wissenschaftlich validiert und die Zuordnung in eine geeignete Versorgungsebene verbindlich gewährleistet sein.
„Zwingend notwendig sind dabei einheitliche oder bruchfrei interoperable IT-gestützte Systeme, die durchgängige Informationsketten sicherstellen und die Vermittlung eines verbindlichen Versorgungsangebotes für die Patientinnen und Patienten, bezogen auf den jeweiligen Versorgungsanlass, unterstützen“, heißt es in dem Konzeptpapier. Ein solches System ist zwar beispielsweise in der Diskussion im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zum Thema bereits angesprochen gewesen, war aber noch nicht validiert.
Im Notfall sollen Patienten sich vor allem über einen telefonischen Erstkontakt über die Nummer 116117 melden. Dafür sollen die Telefonnummern 112 sowie 116117 vernetzt und integriert werden, schlagen die Ärzteverbände vor. Ob auch Leitstellen räumlich zusammengeschlossen werden, soll je nach Region entschieden werden.
Dafür benötigt es gemeinsame Leit- und Online-Fragebögen und interoperable IT-Systeme, die Daten „bruchfrei“ weitergeben können. „Die Leitstelle muss ohne relevante Wartezeit erreichbar und qualifiziert besetzt sein, um die Hilfesuchenden verbindlich und zeitnah in die geeignete Versorgungsebene und -form zu lenken“, heißt es weiter. Die für den Umbau benötigten Finanzmittel müssten bereits gestellt werden.
Die Patientenversorgung erfordere ein „arbeitsteiliges Vorgehen aller an der Notfallversorgung beteiligten Ärztinnen und Ärzte“, heißt es in einer weiteren Forderung. Denn aufgrund des Fachkräftemangels müsse die eine Fokussierung der Versorgung auf „gut erreichbare, personell und materiell angemessene ausgestattete Leistungsorte“ liegen.
Diese „Leistungsorte“ können auch Integrierte Notfallzentren an Krankenhäusern sein. Die Ärzteverbände betonen, dass die Bedarfe und Inanspruchnahme je nach Region unterschiedlich sein können und es daher auch verschiedene Modelle benötigt.
Eine Anlaufstelle auch für ambulante Notfälle soll es in Krankenhäusern geben. An diesem „gemeinsamen Tresen“ soll eine Ersteinschätzung stattfinden, um die vitale Gefährdung der Patienten sowie die möglichen Ort einer Versorgung herauszufinden. Aus dieser persönlichen Ersteinschätzung erfolge dann der ärztliche Kontakt – entweder im ärztlichen Bereitschaftsdienst, in niedergelassenen Praxen oder direkt im Krankenhaus.
Dieses „Hand-in-Hand-Arbeiten beider Sektoren“ müsse systematisch und technisch unterstützt werden, fordern die Verbände. Über technische Schnittstellen müssten die Daten über alle Sektoren ausgetauscht werden, dafür benötige es eine gemeinsame Telematikinfrastruktur und eine elektronische Patientenakte. Da viele Menschen aus nicht medizinischen Gründen die Notfallversorgung aufsuchten, dürften andere Angebote zur Daseinsvorsorge wie beispielsweise Krisendienste nicht weiter reduziert werden.
Die Ärzteverbände sehen ihr Konzept auch als kritische Antwort auf die Vorschläge der Regierungskommission, die im Rahmen der Überlegungen für eine Krankenhausreform im Februar des vergangenen Jahres auch Vorschläge zur Notfallversorgung vorgestellt hatte.
Viele Vorschläge – wie beispielsweise die Zusammenlegung der Notrufnummern 112 und 116117 – finden sich auch in den Empfehlungen der Kommission. Kritisiert wird aber der Begriff der „Integrierten Leitstellen (ILS)“, in der laut Kommission die zentrale Steuerung der Notfälle stattfinden soll.
Vor allem an dem Plan, dass es dort auch allgemeinärztliche und kinderärztliche Beratungen am Telefon sowie per Videosprechstunde geben soll, stoßen sich die Ärzteverbände. Dies sei „weder erforderlich noch kann sie gewährleistet werden“, heißt es in dem Papier. Gleiches gelte für den Vorschlag, die KV-Notdienstpraxen rund um die Uhr zu besetzen.
Dies sei „angesichts der knappen ärztlichen und nicht ärztlichen Personalressourcen nicht leistbar und in der Regel auch nicht erforderlich“. Wenn Notdienstpraxen der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) auch zu regulären Praxisöffnungszeiten eröffnet werden sollten, müsse dies „konkret durch regionale Bedarfe begründet sein“, so die Ärzteverbände.
„Wenn dem Praxisbetrieb Ärztinnen und Ärzte entzogen werden, folgt daraus eine quantitativ reduzierte Patientenversorgung.“ Daher könne es auch keinen ganztägigen ärztlichen aufsuchenden Bereitschaftsdienst geben. „Gerade zu regulären Sprechzeiten erfolgt die aufsuchende Behandlung auch über Hausbesuche.“
Auch die von der Regierungskommission vorgeschlagene gesonderte elektronische Behandlungsakte für die Notfall- und Akutversorgung „ist in keiner Weise erforderlich und würde den Aufbau unnötiger Parallelstrukturen bedeuten“, kritisieren die Ärzteverbände. Sie verweisen auf schon vorhandenen gesetzlichen Vorgaben zur elektronischen Patientenakte.
Am morgigen Dienstag will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) seine Eckpunkte für eine Notfallreform vorstellen. Ein Gesetzgebungsprozess soll in diesem Jahr abgeschlossen werden.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: