Ausland

550 Millionen Indern fehlt Zugang zu Toiletten

  • Freitag, 18. November 2016
Uploaded: 16.11.2016 14:45:14 by gießelmann
/ Rainer Sturm, pixelio.de

Neu Delhi – Rund 550 Millionen Inder haben keinen Zugang zu Toiletten. Das sind nicht nur mehr Men­schen als in jedem anderen Land der Welt, sondern auch nahezu jeder zweite Einwohner des Landes, das derzeit geschätzt rund 1,3 Milliarden Einwohner hat.

Die Regierung hat sich mit ihrer Kampagne „Sauberes Indien“ das Ziel gesetzt, die Zahl der Menschen ohne Zugang zu einem WC bis 2019 auf null zu reduzieren. Doch Studien zeigen, dass viele Inder selbst dann die Toilette nicht benutzen, wenn sie Zugang zu ei­ner haben. Indiens Regierung geht kreative Wege.

Eine der jüngeren Kampagnen der indischen Regierung setzt auf Kinder. Die Kampagne „Asli Tarakki“ (etwa: „Echter Fortschritt“) will mit ihrer Hilfe Erwachsene beeinflussen, die bisher aus Gewohnheit keine Toilette benutzen. Werbefilme und Plakate zeigen Kinder, die sich über Männer lustig machen, die ihre Toilette nicht benutzen, obwohl sie eine ha­ben. „Studien zeigen, dass wir den Menschen nicht nur Toiletten bauen müssen“, heißt es dazu von der Regierung. „Wir müssen ihnen auch zeigen, dass es wichtig ist, sie zu benutzen.“

Im Bundesstaat Haryana sorgt die Kampagne „Keine Toilette, keine Braut“ bereits seit 2005 dafür, dass mehr Frauen Zugang zu einer Toilette bekommen. Die Kampagne er­mu­tigt Frauen, Ehemänner abzulehnen, die ihnen keine Toilette zur Verfügung stellen. Auch im Bundesstaat Bihar gibt es eine ähnliche Kampagne. Hier wurden junge Frauen dazu ermutigt, Goldschmuck als Geschenk abzulehnen, so lange ihre Eltern keine Toi­lette für sie gebaut haben. Goldschmuck ist für viele indische Frauen immer noch die wichtigste Form der Altersvorsorge. Traditionell bekommt eine Braut von ihrer Familie zur Hochzeit so viel Goldschmuck wie möglich, als Zeichen des Wohlstands und um sie und die neue Familie finanziell abzusichern.

Im IT-Zentrum Hyderabad hat die Polizei 2016 damit begonnen, Wildpinkler an den virtu­el­len Pranger zu stellen. Wer in der Öffentlichkeit urinierte, musste sich eine Girlande um­hängen und sich fotografieren lassen. In einer ähnlichen Aktion im Bundesstaat Ra­jas­than wurde mit Hilfe von Trommeln vertrieben, wer gegen das Verbot des öffentlichen Urinierens verstieß.

In immer mehr Bundesstaaten in Indien darf sich nur auf ein politisches Amt bewerben, wer eine eigene Toilette besitzt und benutzt. 2015 wurde ein solches Gesetz im Bundes­staat Gujarat vor Gericht angefochten – und blieb bestehen. „Politische Würdenträger sollten Vorbilder für alle Bürger sein“, urteilte das Gericht.

Neben den offiziellen Kampagnen stechen in Indien auch immer wieder einzelne Aktivis­ten hervor, die im Kampf für mehr Toiletten einen Unterschied machen wollen. Die be­kan­nteste Kämpferin ist die 105 Jahre alte Kunwar Bai Yadav, die ihre Mitbürger in ihrem Hei­matdistrikt Dhamtari unermüdlich über die Vorteile von Toiletten aufklärte. Der Lohn: Dhamtari hat inzwischen offiziell eine Toilettenquote von 100 Prozent. Vor kurzem dankte der indische Premierminister Narendra Modi der Aktivistin persönlich für ihren Einsatz und berührte ihre Füße – in Indien eine Geste der höchsten Wertschätzung.

dpa

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