Ärzteschaft

74.000 neue Ärzte werden bis 2020 gebraucht

  • Mittwoch, 27. Juli 2011
Andreas Köhler /Pietschmann
Andreas Köhler /Pietschmann

Berlin – Mit dem Versor­gungs­strukturgesetz (VStG) will die Bundes­regierung unter anderem den Ärztemangel bekämpfen. Dass dies dringend notwendig ist, zeigte die Kassen­ärztliche Bundes­­ver­einigung (KBV) am Dienstag­abend auf einem Presse­seminar.

Das Durch­schnittsalter der Vertragsärzte sei von 46,6 Jahren im Jahr 1993 auf 52,2 Jahren im vergangenen Jahr angestiegen, erklärte der Vorstandsvorsitzende der KBV, Andreas Köhler. 

Der Anteil der Ärzte über 60 Jahre habe im gleichen Zeitraum von 6,7 Prozent auf 13,5 Prozent zugenommen. „Bis 2020 werden 30.705 Haus-, Fach- sowie Ober- und Chefärzte an Krankenhäusern aus der kurativen Medizin altersbedingt ausscheiden, bis 2020 sogar 66.830“, sagte Köhler. Mit den bereits derzeit fehlenden Ärzten rechnet die KBV somit bis 2020 mit einem Ersatzbedarf von 74.000 kurativ tätigen Ärzten. 

Besonders groß sei das Problem in den ostdeutschen Bundesländern, so Köhler. Dort habe es im Frühjahr 2011 in 40 Planungsbezirken einen Versorgungsgrad von unter 100 Prozent, in einem Planungsbezirk sogar von unter 75 Prozent geben. Insgesamt fehlten dort 271 Hausärzte.

„Aber nicht nur der Osten ist vom Ärztemangel betroffen“, betonte der KBV-Chef. Auch in den norddeutschen Bundesländern, vor allem in Niedersachsen, seien viele Bezirke unterversorgt. In Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen, Niedersachsen und Westfalen-Lippe fehlten im Frühjahr 2011 238 Hausärzte.

„Das Dilemma ist, dass zwar die Anzahl der Vertragsärzte zunimmt – seit 2004 2,7 Prozent von 116.990 auf 120.153. Aber die Frage ist: Wo wachsen wir?“, sagte Köhler. „Wir wachsen nicht bei den sogenannten beplanten Arztgruppen, die von der Bedarfsplanung erfasst werden,  sondern bei den nicht beplanten Arztgruppen, zu denen weniger als 1.000 Ärzte gehören.“ Dies seien zum Beispiel Molekulargenetiker oder Transfusionsmediziner. Doch in der Grundversorgung nehme die Zahl der Ärzte ab.

Köhler kommentierte auch das im Auftrag des GKV-Spitzenverbandes von der Prognos AG erstellte Gutachten, demzufolge 12.000 Arztsitze aufgekauft werden könnten. Das größte Aufkaufpotenzial liege demnach vor allem bei den Psychotherapeuten. Circa 5.000 Praxen könnten Prognos zufolge geschlossen werden. 
 

Dieses Gutachten habe einige wichtige Aspekte nicht berücksichtigt, kritisierte Köhler. So seien die Verhältniszahlen in der psychotherapeutischen Versorgung 1999 viel zu niedrig angesetzt, um den heutigen Bedarf abbilden zu können. Im ländlichen Bereich seien die Verhältniszahlen schon damals zu niedrig gewesen. Zudem habe Prognos nicht berücksichtigt, dass viele Städte Patienten aus dem Umland mit versorgen.

In Weiden in der Oberpfalz zum Beispiel liege diese Mitversorgung bei 64,2 Prozent, in Koblenz bei 60 Prozent und in Würzburg bei 58,9 Prozent. Eine höhere Arztzahl in den Städten sei also nötig, um auch das Umland versorgen zu können. 

„Grundsätzlich sind wir nicht gegen den Aufkauf von Arztsitzen, das wird ja auch schon praktiziert“, sagte Köhler. „Aber man muss vorher genau analysieren, ob die entsprechende Praxis noch für die Versorgung gebraucht wird.“

Die KBV äußerte sich darüber hinaus auch zu den Kosten, die infolge des Versorgungs­strukturgesetzes auf die gesetzliche Krankenversicherung zukommen. Der GKV-Spitzenverband hatte im Juni vor Mehrkosten von 2,7 Milliarden Euro gewarnt, weil sich die Abstaffelung der Vergütung künftig jeweils an den im Vorjahr erbrachten Leistungen orientieren solle und der gesamte Honorartopf dadurch in jedem Jahr anwachse.

Das Bundesgesundheitsministerium hatte damals sofort dementiert und auch Köhler sagte nun, ein solcher Wegfall sogenannter honorarwirksamer Begrenzungsleistungen für die Bemessung der Gesamtvergütung sei jetzt nicht und auch nicht in früheren Entwürfen im Gesetz vorgesehen gewesen.

Die KBV rechnet daher in den Jahren 2012 bis 2014 infolge des VStG lediglich mit einem Kostenzuwachs von 277 Millionen Euro. Diese erwachsen aus dem Zuschlag für besonders förderungswürdige Leistungen aus dem Strukturfonds und aus der extrabudgetären Gesamtvergütung.

Je nachdem, ob eine Konvergenz der Vergütung noch in das Versorgungsstrukturgesetz aufgenommen wird und wie die ambulante spezialärztliche Versorgung ausgestaltet wird, könnten weitere Kosten hinzukommen. Insbesondere für die spezialärztliche Versorgung seien die Zusatzkosten jedoch nicht abschätzbar.

fos

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