GKV-Leistung: Ärzte können künftig Cannabis verordnen

Berlin – Ärzte können Schwerkranken künftig Cannabis zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnen, wenn diesen nicht anders geholfen werden kann. Der Bundestag hat heute einstimmig eine entsprechende Gesetzesnovelle verabschiedet. Der Eigenanbau von Cannabis bleibt in Deutschland weiterhin verboten.
Mit der Neuregelung, die im März in Kraft tritt, wird es schwer erkrankten Patienten unter bestimmten Voraussetzungen ermöglicht, getrocknete Cannabisblüten und Cannabisextrakte auf ärztliche Verschreibung in Apotheken zu erhalten. In Ausnahmefällen sollen Patienten auch Anspruch auf im Ausland zugelassene Fertigarzneimittel mit den Wirkstoffen Dronabinol und Nabilon erhalten.
Abgeordnete aller Fraktionen lobten die neue Gesetzesregelung einhellig als großen Schritt in der Versorgung schwerkranker Menschen. Der Grünen-Abgeordnete Harald Terpe sagte, nach mehr als einem Jahrzehnt der Auseinandersetzungen über Cannabis als Medizin gehe für viele Patienten ein „Leidensweg“ zu Ende. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hob vor allem die Verbesserung für Menschen in der Palliativversorgung hervor. Mit dem Gesetz wurde geregelt, dass ein Antrag auf Cannabis zu medizinischen Zwecken im Palliativbereich binnen drei Tagen genehmigt werden muss.
Deutsche Schmerzliga (DSL) und die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) begrüßen, dass für viele Menschen mit chronischen therapieschwierigen Schmerzen die entscheidende Hürde für den medizinischen Einsatz von Cannabis-haltigen Arzneien fällt. „Wir dürfen hoffen, dass sowohl das frustrierende Warten auf einen Entscheid über die Kostenübernahme als auch die hohe Zahl an ablehnenden Bescheiden endlich ein Ende haben“, erklärte Michael A. Überall, Präsident der DSL und Vizepräsident der DGS.
Der Berufsverband der Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz- und Palliativmedizin in Deutschland (BVSD) sprach von einer „sinnvollen“ Regelung, die einer Reihe von Patienen Erleichterung verschaffen könne. Zu begrüßen sei auch, dass die Gesamtlast des Genehmigungsverfahrens nicht auf die Vertragsärzte abgeladen wurde, sondern den Krankenkassen nun bei den Regelungen zur Kostenübernahme enge Grenzen gesetzt seien, sagte der BVSD-Vorsitzende Joachim Nadstawek.
Nach den bisherigen Plänen sollte der verordnende Arzt den Versorgungsbedarf ausführlich begründen. Nach dem heute verabschiedeten Gesetz liegt die Beweislast bei den Krankenkassen, Gründe anzugeben, warum Medizinalhanf ihrer Ansicht nach keine angemessene Therapie für den jeweiligen Patienten ist.
„Für Versicherte, die Leistungen im Rahmen der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung erhalten, hat der Verordnungsgeber die Genehmigungsfrist der Krankenkassen jetzt auf drei Tage festgelegt. Diese verkürzte zeitliche Frist halten wir ebenfalls für eine richtige und angemessene Maßnahme“, betonte er. Für die erstmalige Leistung bei einem Versicherten mit anderen Erkrankungen ist die Genehmigung durch die Krankenkasse bei einer Frist von drei beziehungsweise fünf Wochen vorgesehen.
Der drogenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Frank Tempel, warb zugleich für die „niedrigschwellige Anwendung“ von Cannabis, also nicht nur bei schwerkranken Patienten. „Nicht jeder möchte die große Palette vieler kleiner bunter Schmerzpillen austesten, sondern lieber auf natürliche Substanzen wie Cannabis setzen“, sagte Tempel.
Geplant ist ein staatlich kontrollierter Anbau in Deutschland durch eine Cannabisagentur. Bis dieses gewährleistet ist, soll die Versorgung mit Medizinalhanf durch Importe gewährleistet werden. Selbst anbauen dürfen Patienten Cannabis weiterhin nicht. Der Gesetzgeber begründet dies mit der „Gefahr von mangelnden Qualitäts- und Sicherheitskontrollmöglichkeiten“.
Eine Begleitstudie soll weitere Erkenntnisse über die Wirkung von Cannabis gewinnen. Dazu übermitteln die Ärzte künftig Daten etwa zu Diagnose, Therapie, Dosis und Nebenwirkungen anonymisiert an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).
Cannabis wird in der Medizin bei verschiedenen Krankheiten eingesetzt, zum Beispiel gegen Übelkeit und zur Appetitsteigerung bei Krebs- und Aidspatienten, bei Rheuma sowie bei spastischen Schmerzen bei Multipler Sklerose. Einigen Substanzen wird etwa eine krampflösende und schmerzlindernde Wirkung zugeschrieben. Bislang war dies mit hohen Kosten für die Patienten verbunden. Die Erlaubnis zum Erwerb von Cannabisprodukten gab es nur selten, die Krankenkassen zahlten bislang nur in Einzelfällen.
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