Cannabisagentur soll Ernte und Qualität der Pflanze kontrollieren

Berlin – Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geht davon aus, dass Cannabis zu medizinischen Zwecken erst ab 2019 aus dem Anbau in Deutschland zur Verfügung stehen wird. Kontrolliert werden sollen Ernte und Qualität der Pflanze durch die Cannabisagentur. Diese richtet das BfArM unter seinem Dach ein, sobald das Gesetz „Cannabis als Medizin“ in Kraft tritt, teilte Karl Broich, BfArM-Präsident, heute auf einer Pressekonferenz in Berlin mit. Eine beratende Funktion übernehme die Cannabisagentur dabei nicht, betonte der Leiter der Bundesopiumstelle, Peter Cremer-Schaeffer. Ob Cannabis als Arzneimittel bei einem Patienten indiziert sei, entscheide ausschließlich der Arzt.
Unmittelbar nach ihrer Einrichtung wird die Cannabisagentur ein EU-weites Ausschreibungsverfahren starten und anschließend Aufträge zum Anbau in Deutschland an geeignete Unternehmen vergeben. Bisher wird Cannabis zu medizinischen Zwecken aus den Niederlanden und Kanada importiert und deckt den Bedarf von mehr als 1.000 Patienten in Deutschland, die eine Ausnahmeerlaubnis zum Erwerb von Cannabis zu medizinischen Zwecken haben.
Der Import gestaltet sich jedoch aufgrund des zunehmenden Bedarfs schwierig. „Die Niederlande ist nicht bereit, Deutschland mit noch größeren Mengen zu beliefern“, sagte Lutz Stroppe, Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium. Ziel sei es daher, die Versorgung schwerkranker Patienten künftig mit in Deutschland angebautem Cannabis in pharmazeutischer Qualität sicherzustellen.
Begleiterhebung soll Chancen und Risiken von Medizinal-Cannabis aufdecken
Die Cannabisagentur wird als neues Fachgebiet in der Abteilung „Besondere Therapierichtungen“ im BfArM eingerichtet. Weitere Aufgaben übernimmt die Bundesopiumstelle im BfArM. Darunter fällt auch eine Begleiterhebung, die zunächst auf fünf Jahre angelegt ist, um weitere Erkenntnisse über die Wirkung von Cannabis als Medizin zu gewinnen. Wie Ärzte mit dieser Erhebung umgehen müssen, wird das BfArM nach Inkrafttreten des Gesetztes in einem Informationsblatt mitteilen. „Bis dahin müssen Ärzte keine Daten übermitteln“, sagte Cremer-Schaeffer. Ärzte müssten lediglich ihre Patienten darüber aufklären, dass es zukünftig eine Begleiterhebung geben wird.
Diese Daten werden im Anschluss eine grundsätzliche Einschätzung zulassen, ob die Anwendung von Cannabisarzneimitteln in nicht zugelassenen Indikationen mehr Chancen als Risiken beinhaltet. Sie können damit Grundlage sein für die weitere klinische Forschung mit Cannabisarzneimitteln mit dem Ziel, langfristig die Zulassung von Fertigarzneimitteln auf Cannabisbasis zu erreichen. Keinen Einfluss wird die Erhebung laut Stroppe und Broich auf die Legalisierung von Cannabis haben. Zum einen würden hier nur kranke Menschen beobachtet. Zum anderen sei die schädliche Auswirkung vor allem im Kinder- und Jugendalter wissenschaftlich ausreichend nachgewiesen, begründen die beiden ihre Einschätzung.
Darüber hinaus überwacht die Bundesopiumstelle weiterhin die Importe von Cannabis, die auch nach dem Anbau in Deutschland weiterhin möglich sind. Überwacht wird die neue Cannabisagentur dabei von der zuständigen Kotrollbehörde, der Bezirksregierung Köln und von weiteren Landesbehörden.
Herstellerpreise und Versorgungsvolumen noch ungewiss
Der Anbau des medizinischen Cannabis erfolgt nicht durch das BfArM selbst, sondern durch Unternehmen. Die Cannabisagentur wird einen Herstellerabgabepreis festlegen und das Cannabis an Hersteller von Cannabisarzneimitteln, Großhändler oder Apotheken verkaufen. Dabei darf das BfArM keine Gewinne oder Überschüsse erzielen. Bei der Preisbildung werden jedoch die beim BfArM anfallenden Personal- und Sachkosten berücksichtigt. Auf den tatsächlichen Abgabepreis in der Apotheke hat das BfArM jedoch keinen Einfluss. Die Vertriebswege von Herstellern und Händlern werden den gesetzlichen Regelungen entsprechen und sind daher mit den Regelungen beim Vertrieb anderer betäubungsmittelhaltiger Arzneimittel identisch.
„Den exakten Mengenbedarf können wir derzeit nur schätzten, da wir nicht wissen, wie sich die Patientenzahlen entwickeln werden“, sagte Werner Knöss, Leiter der Zulassung, Abteilung 4 im BfArM. Man orientiere sich vorerst an den etwa 1.000 Patienten mit Ausnahmeerlaubnis zum Erwerb von Cannabis zu medizinischen Zwecken, ergänzte Broich. Bei einem durchschnittlichen Tagesbedarf von einem Gramm pro Person würden 365 Kilogramm pro Jahr benötigt, um alleine diese Patienten kontinuierlich über die Verordnung von Cannabis zu versorgen. Einen sprunghaften Anstieg der Cannabispatienten erwartet Broich nicht. „In Deutschland gehen wir von einem geringeren Bedarf an Medizinal-Cannabis aus als beispielsweise in Israel“, berichtet Broich.
Die Abgabe der entsprechenden Arzneimittel an die Patienten wird nach Vorlage des Betäubungsmittelrezepts in der Apotheke erfolgen. Das bisherige Erlaubnisverfahren nach § 3 Absatz 2 BtMG zum Erwerb von Medizinal-Cannabis zum Zweck der ärztlich begleiteten Selbsttherapie wird dann entfallen.
Ab sofort verschreibungsfähig
Durch Inkrafttreten des beschlossenen Änderungsgesetzes wird die Verschreibungsfähigkeit für weitere Cannabisarzneimittel hergestellt. Ärzte können künftig auch Medizinal-Cannabisblüten oder Cannabisextrakt in pharmazeutischer Qualität auf einem Betäubungsmittelrezept verschreiben. Dabei müssen sie arznei- und betäubungsmittelrechtliche Vorgaben einhalten. Neben den neuen Regelungen bleiben die bisherigen Therapie- und Verschreibungsmöglichkeiten für die Fertigarzneimittel Sativex® und Canemes® sowie das Rezepturarzneimittel Dronabinol bestehen.
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