Bundesversicherungsamt sieht bei Kontrastmittelpauschalen keine Rechtsverstöße

Bonn/Berlin – Das Bundesversicherungsamt (BVA) will sich zunächst nicht in die Debatte um Pauschalen, die verschiedene Krankenkassen an Ärzte für Kontrastmittel bezahlen, einschalten. „Eindeutige Rechtsverstöße der gesetzlichen Krankenversicherung sind nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht nachgewiesen“, sagte ein Sprecher dem Deutschen Ärzteblatt.
Es bestünden zudem „keine Aufsichtsrechte gegenüber den Kassenärztlichen Vereinigungen, Ärzten oder pharmazeutischen Unternehmern“. Man wolle die weitere Entwicklung und die Reaktion der Vertragspartner „zunächst abwarten“, hieß es.
Dem BVA zufolge hat es bisher auch keine Krankenkassen angewiesen, Pauschalen zu überprüfen. Diese stellten eine „zulässige Vergütungsform“ dar. „Für eine Anweisung an Krankenkassen, die Pauschalen zu überprüfen, hätte ein besonderer Anlass bestehen müssen, den es bisher jedoch nicht gab“, sagte der BVA-Sprecher.
Die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen (KVN) wies heute darauf hin, dass die Pauschalabrechnung von Kontrastmitteln für niedergelassene Radiologen vor allem von den Krankenkassen ausgegangen seien, um die Abrechnung effizienter zu machen. Weil Obergrenzen definiert seien, gebe es für Ärzte keinen Anreiz, die Anzahl der Röntgenuntersuchungen aus finanziellem Interesse auszuweiten.
NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung hatten heute berichtet, dass Radiologen mit der pauschalen Abrechnung teils erheblich dazuverdienten. Pauschalen gibt es in Niedersachsen und Bremen, Bayern, Hamburg sowie Nordrhein-Westfalen. In Niedersachsen läuft das Modell seit Anfang 2016. Bei der AOK hätten sich die Ausgaben für Kontrastmittel seit der Einführung der Pauschalen sogar halbiert, sagte Ulrike Serbent, Pressesprecherin der AOK in Niedersachsen.
Der KVN-Vorstandsvorsitzende Mark Barjenbruch sagte: „Pauschalen sind oft der günstigste Weg, Abrechnungen zu vereinfachen und für Vertragspartner bürokratiearme Lösungen zu finden.“ Deshalb hätten sich zum Beispiel auch Flatrate-Handyverträge durchgesetzt.
In Niedersachsen gibt es laut KVN zurzeit 232 Radiologen. Seit Abschluss der Kontrastmittelpauschalen seien die Kosten um vier Prozent und die Fallzahlen um 8,9 Prozent gestiegen. Dies liege deutlich unter der durchschnittlichen Steigerungsrate bei den ärztlichen Honoraren in diesem Zeitraum. Ein Missbrauch der Pauschalen lasse sich nicht erkennen.
NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung zufolge führen die Pauschalen zu Gewinnen bei den Radiologen. Grund sei, dass die Pauschalen deutlich höher lägen als das, was die Radiologen selbst für den Einkauf der Kontrastmittel für Computertomographen (CT) und Magnetresonanztomographen (MRT) aufbringen müssten. So hätten Radiologen in Bayern Kontrastmittel für 760 Euro je Liter einkaufen können und 3.900 Euro pauschal erstattet bekommen.
BMG: Aufsicht kann prüfen
Das Bundesgesundheitsministerium erklärte dazu, Vereinbarungen zu Kontrastmittelpauschalen seien nicht verpflichtend. Solche Verträge würden in der Regel zwischen Kassenärztlichen Vereinigungen in den Ländern und mehreren Kassen geschlossen. Es gelte das Gebot, wonach Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssten.
Bei Verstößen könnten die Aufsichtsbehörden der Kassen einschreiten. Das Ministerium versicherte zugleich, man überprüfe „laufend die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern.
Die Grünen sehen den Bundesrechnungshof (BRH) in der Pflicht. Allen Beitragszahlern entshehe ein schwerer Schaden, wenn Radiologen horrende Zusatzgewinne durch den Einsatz von Kontrastmitteln machen könnten, sagte Kordula Schulz-Asche, Mitglied im Ausschuss für Gesundheit. Der BRH solle deshalb aufhorchen, seien doch neben Versichertenbeiträgen auch Steuermittel im Gesundheitsfonds enthalten. Zudem müsse geklärt werden, ob nicht nur unethisches, sondern auch kriminelles Verhalten vorliege, wenn Kontrastmittel ohne medizinisch-relevanten Grund zum Einsatz kämen.
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