Politik

Bundesministerium für Gesundheit schaltet sich in Kontrastmittel­debatte ein

  • Freitag, 9. August 2019
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Hamburg – Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat sich nach Medienberichten in die Debatte um die Kontrastmittelpauschalen eingeschaltet, die manche Kranken­kas­sen an Kassenärztliche Vereinigungen bezahlen. Ein Ministeriumssprecher bestätigte dem NDR zufolge, dass das BMG den AOK-Bundesverband um Aufklärung des Sachverhalts ge­beten habe. Dies sei direkt nach der Veröffentlichung von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung über hohe Zusatzgewinne für niedergelassene Radiologen in fünf Bundesländern erfolgt.

Die Medien hatten auf Basis interner Unterlagen aus Radiologiepraxen und von Pharma­herstellern berichtet, dass Ärzte Kontrastmittel für Aufnahmen in Computertomografen (CT) oder Magnetresonanztomografen (MRT) günstig einkauften und ein Vielfaches des Preises in Form von Pauschalen von den Krankenkassen erstattet bekämen. Mit jedem MRT- oder CT-Gerät könnten Radiologen auf diese Weise knapp 100.000 Euro Gewinn im Jahr machen, hieß es. Nach Schätzung koste dies die Versicher­ten jährlich knapp 200 Millionen Euro, berichteten NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung.

Der finanzielle Anreiz führe offenbar auch dazu, dass Ärzte in Bundesländern mit den lukrativen Pauschalen bei ihren Patienten häufiger Untersuchungen mit Kontrastmitteln durchführen als in anderen Bundesländern – und somit häufiger, als es medizinisch nötig wäre, schreibt der NDR.

Alarmiert durch die Berichte, habe der AOK Bundesverband schon Anfang dieser Woche alle seine Mitglieder zu einer Telefonkonferenz zusammengerufen, wie der NDR weiter mitteilte. Nach Information von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung habe die Vertrete­rin Bayerns konkrete Preise für ihr Bundesland während der Telefonkonferenz genannt.

Demnach kauften Radiologen in Bayern MRT-Kontrastmittel im Durchschnitt für 880 Euro pro Liter ein und erhielten dafür 3.900 Euro von den Krankenkassen erstattet. Auf An­frage habe die AOK Bayern auch im Namen der Arbeitsgemeinschaft der Kranken­kassen­verbände in Bayern die Preise weder bestätigen noch dementieren wollen, so der NDR.

Im Bereich Nordrhein, wo die Kontrastmittelpauschalen erst im April dieses Jahres einge­führt wurden, teilt das Gesundheitsministerium unter Josef Laumann (CDU) dem NDR mit, dass die AOK und die Kassenärztliche Vereinigung die Einkaufspreise und die Erstattun­gen für die Mittel nun prüfen wollten. Das Lenkungsgremium werde „die bisher verein­bar­ten Preise gegebenenfalls an die Marktbedingungen zu Einkaufspreisen anpassen“.

Bisher geht es in den Briefwechseln zwischen Ministerien, GKV-Spitzenverband und Krankenkassen vor allem um die Sorge, dass die Kassen mit ihrer hohen Erstattung der Kontrastmittel womöglich gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen, dem sie laut Sozialgesetzbuch unterliegen. Das Bundesversicherungsamt konnte als Aufsicht der bun­desunmittelbaren Krankenkassen in dieser Frage bisher keine Rechtsverstöße ausmachen, wie es dem Deutschen Ärzteblatt mitgeteilt hatte.

Politik wirft Frage auf, ob zuviel Kontrastmittel eingesetzt werden

Gesundheitspolitiker machten unterdessen jetzt auf eine mögliche Gefährdung der Pa­tien­ten aufmerksam. So hält es der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach für „sehr ge­fährlich, Kontrastmittel dort einzusetzen, wo es nicht benötigt wird“, sagte er dem NDR. Er fordert, dass sich das Gesundheitsministerium darum kümmern müsse, „denn wir ha­ben es hier mit einer gravierenden Gefährdung von Patienten zu tun, die auch noch sehr viel Geld kostet“.

Ihn habe schon immer gewundert, warum in Deutschland so viele Untersuchungen mit Kontrastmitteln gemacht würden, die man auch ohne Kontrastmittel machen könnte, sagte Lauterbach dem Sender. Von daher sollten auch die Krankenkassen die „unseriösen Anreize“ dafür stoppen.

Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Kordula Schulz-Asche, sagte dem NDR, dass sie immer mehr Briefe von besorgten Bürgern erreichten, die sich fragten, ob dieser Einsatz von Kontrastmitteln aus ökonomischen Gründen negativen Fol­gen für sie haben könnte. „Von daher ist es durchaus verwunderlich, dass die Bundesre­gierung seit über einer Woche nicht auf diese Fragen antwortet.“

Schulz-Asche forderte nun zwei Dinge: Erstens, dass „dieses Reibach-Modell endlich be­endet wird“, und zweitens „eine lückenlose Aufklärung, ob durch diese Praxis Menschen gefährdet oder gar geschädigt worden sind“. Darauf müsse jetzt auch die Bundesregie­rung eine Antwort liefern, so die Grünen-Politikerin.

may/EB

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